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Freitags vor eins...
Unsere Seite 1 - Corona, Heilige und Katzen

Glaube+Heimat Ausgabe Nummer 32 (16. August 2020)

Alles begann mit einer Katze. Also eigentlich stimmt das so nicht ganz. Denn eigentlich begann alles mit einer neuen Wohnung. Meiner neuen Wohnung. Und damit, dass ich an den Abenden nach dem Einzug manchmal Stimmen hörte. 
Es war aber nicht das, was man landläufig damit verbinden würde. Stattdessen waren es die Stimmen der Nachbarn, die durch Wände und gekippte Fenster zu mir drangen. Und mit den Stimmen kam die Unsicherheit: Sind die Wände zu dünn? Die Nachbarn zu laut? Will ich aus der neuen Wohnung gleich wieder ausziehen?
Eine theoretische Beschäftigung mit der Ausbreitung von Schallwellen brachte Abhilfe: Meine Schlafstube ist einfach zu groß. Und vor allem ist sie zu leer. Doch was soll noch in ein Schlafzimmer hinein, wenn Kommode, Bett, Nachttische und auch der Kleiderschrank schon stehen? Als Alternativen zum Vollstellen berichtete das Internet mir, dass Wandverkleidungen helfen könnten. Bilder und auch Wandteppiche seien gute Schalldämpfer, könnten die Stimmen zum Verschwinden bringen.

Nun ist es so, dass ich schon seit einigen Monaten mit dem Gedanken spiele, mir den Schlaf bewachen zu lassen. Gepaart mit meiner Faszination für byzantinische Ikonen stand also fest, dass es eine Heilige sein sollte, die nachts auf mich aufpasst und zugleich die Gespräche aus der Nachbarwohnung fern hält. Nur welche sollte es werden? Die Auswahl schien schier endlos.
Allein das Martyrologium Romanum, das offizielle Verzeichnis von Heiligen und Märtyrern der römisch-katholischen Kirche, kennt 6650 Heilige beziehungsweise Selige und zu ihnen noch einmal 7400 Märtyrer. Meine persönliche Ikonensammlung brachte mich hier jedoch nicht weiter. Denn dort befinden sich - neben dem obligatorischen Christus - vorrangig der Heilige Panteleimon (einer der 14 Nothelfenden) und der Prophet Elija ( die Geschichte dazu könnte einmal ein eigener Freitagspost werden). 

Durch einen Zufall brachte eine Freundin mich auf eine Selige, die in der Breite der Gläubigen relativ wenig Beachtung findet: Juliana von Norwich. Sie war eine britische Mystikerin, die im 14. Jahrhundert lebte und deren Geschichte besser in die aktuelle Situation passt, als die vieler anderer. Denn ihr religiöses Erweckungserlebnis hatte Juliana von Norwich, als sie im 30 Lebensjahr von einer schweren (und in den Quellen nicht weiter erläuterten) Krankheit heimgesucht wurde. 16 mystische Erscheinungen zum Leben und Wirken Jesu waren es, die Juliana in dieser Phase durchlebte. Dass in ihr der Wunsch reifte, als Asketin zu leben, scheint nur folgerichtig. 

20 Jahre nach der Erscheinung, Juliana lebte zu dem Zeitpunkt als Einsiedlerin in der Kirche des Heiligen Julians in Norwich (und ich bin mir sicher, dass die Namensdopplung kein Zufall ist), beschrieb sie ihre religiösen Erfahrungen in ihrem Buch Revelations of Divine Love (Die Offenbarungen der göttlichen Liebe).
Einer der zentralen Sätze, der uns auch während einer schweren Pandemie Kraft geben kann und der etwas ungemein Tröstliches hat, lautet:

All shall be well and all shall be well and all manner of thing shall be well.

Alles wird gut sein und alle werden gut sein und aller Art an Dingen wird gut sein. 

 Dieser Satz ist inzwischen in die englische Kultursprache eingegangen. Wie ein geflügeltes Wort spendet er Trost und Hoffnung. Während der weltweit schwierigen Corona-Lage ein guter Ansatzpunkt, der vor allem dann seine Wirkung entfaltet, wenn man ihn ab und zu wiederholt. Besonders, wenn wir wie Asketen in der Infektionsschutzisolation leben müssen.

Doch nicht nur Julianas "Alles wird gut sein"-Mantra kann trösten. Glaubt man einer Studie des Fauna Communications Research Institutes in North Carolina, haben auch Katzen eine beruhigende und ihr Schnurren eine therapierende Wirkung auf den Menschen. Ob Juliana von Norwich das wusste, das ist nicht bekannt. Fakt ist aber, dass sie auf nahezu jeder Darstellung mit einem Kätzchen abgebildet ist und dass sie als Einsiedlerin nur zu Tieren einen engen Kontakt haben durfte. Für einen Freund der Samtpfoten ist die Heilige also eine ideale Kombination aus Trost und Kuscheln.
Sich Juliana und ihr Kätzchen über das Bett zu hängen, das ist ein guter Ansatz. Gegen Stimmen, Hoffnungslosigkeit und Sorgen.

Bis dahin  aber erst einmal  gute Lektüre mit unserer Zeitung!

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  • Vor 100 Jahren: Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Regionen der Kirchen neu aufgeteilt. Anlass war das Ende des Landesherrlichen Kirchenregiments.
  • Gerechtigkeit: Warum sorgt Gott nicht dafür, dass es allen Menschen gleich gut geht? Was bedeutet Gerechtigkeit und was sagt die Bibel dazu?
  • Neuanfang: Vor 75 Jahren wurde die Landeskirche Anhalts gegründet, die Thüringer Landeskirche ist etwas älter - ihre Gründung war aber auch komplizierter.

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  • Digital: Wie eine Elternakademie beim Homeschooling unterstützen kann.
  • Sterbebegleitung: Pröpstin Frederike Spengler fordert, Kranke und Sterbende auch in Pandemiezeiten nicht zu isolieren.
  • Neues Konzept: Die Stadtkirche Bad Liebenwerda wird umgebaut, erhält neue Technik und ein besonderes Nutzungskonzept.

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  • Pilgertour: 1800 Kilometer läuft die Künstlerin Felice Meer auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Unterwegs fertigt sie Zeichnungen und Comics an.
  • Kolonialismus: Der Direktor des Berliner Missionswerks Christof Theilemann wünscht sich eine Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte.
Autor:

Paul-Philipp Braun

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