Franckesche Stiftungen
Licht und Schatten im alten Gut
Auf den ersten Blick sieht das Gutsgelände der Franckeschen Stiftungen in Stichelsdorf vor den Toren von Halle verlassen aus. Aber das stimmt nicht. Stimmen von Kindern oder Jugendlichen sind zu hören. Das Gut wird nach mehreren gescheiterten Versuchen von Pächtern seit gut drei Jahren wieder von den Franckeschen Stiftungen selbst geführt. Es wird vor allem in Erweiterung des Konzepts des Kinderkreativzentrums Krokoseum mit einem eigenen kulturpädagogischen Programm genutzt. Dort werden Veranstaltungen zu Themen wie Natur, Umwelt und Alltagsleben angeboten. Natur, Experimente, Kunst und Spiel stehen auf dem Plan. Genutzt wird all dies von Kindergarten- und Schulkindern. „Einmal die Woche kommen die Kinder aus dem Krokoseum und einmal aus unserem Jugendklub TiQ nach Stichelsdorf“, sagt Jens Deutsch, Leiter des Familienzentrums der Franckeschen Stiftungen.
Landwirtschaftlich wird das Gut nur noch wenig genutzt. In zwei von insgesamt fünf großen Gewächshäusern und auf ein paar Beeten wird Gemüse gezogen, Tomaten, Gurken, Zucchini und Paprika beispielsweise. Fekrat Alhoumod kümmert sich sehr engagiert darum. Der Syrer, der im Gästehaus des Stiftsguts wohnt, hatte in einem auf zwei Jahre angelegten Projekt des Bundesfreiwilligendienstes mit Migrationsbezug zum Gut Stichelsdorf gefunden. „Nach seinem Freiwilligendienst hat Fekrat bei uns eine halbe Stelle bekommen. Er kümmert sich um die Gewächshäuser, die Anbauflächen, das Gästehaus und bereitet die Örtlichkeiten für die Kinder- und Jugendprojekte vor und nach. Natürlich ist er bei den Projekten immer auch mit dabei“, erläutert Jens Deutsch. Das geerntete Gemüse geht übrigens in die Einrichtungen der Franckeschen Stiftungen, beispielsweise an den interkulturellen Kinderfreitisch im Krokoseum.
Das Gut hat im Laufe seiner Geschichte viele Besitzer und wechselvolle Zeiten erlebt. So hat einst Georg Friedrich Händels Schwester Dorothea Sophie von Michaelsen dort gewohnt, da das Gut der Familie ihres Mannes gehörte. Im Besitz der Franckeschen Stiftungen ist es seit 1890. Die Stiftungen waren seit ihrer Gründung bestrebt, für ihre Zöglinge eine Selbstversorgung mit Lebensmitteln zu gewährleisten und hatten im Laufe der Zeit mehrere landwirtschaftliche Anwesen. Zu DDR-Zeiten habe das Gelände der Uni gehört, von der es als Versuchsgut für Gemüseanbau genutzt worden sei, erklärt Deutsch. Nach der Wende sei es zunächst zur Treuhandanstalt und schließlich zurück an die Franckeschen Stiftungen gegangen. Besondere Belebung erfuhr es in den 1990er-Jahren, als dort junge Erwachsene und Jugendliche über die Jugendwerkstatt Bauhof aktiv waren. Der Kirchenkreis Halle-Saalkreis hatte damit eine Möglichkeit gefunden, jungen Leuten ohne Ausbildung oder Ausbildungsplatz Unterstützung bei der Lebensgestaltung und Hilfe bei sozialen Problemen zu geben. Es ging um Berufsfindung, berufsvorbereitende Bildung und um das Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft. Bis zur Insolvenz der Jugendwerkstatt 2008 wurde das Gut nicht nur landwirtschaftlich genutzt, sondern auch umgebaut: Der Kuhstall wurde zum Saal, es entstanden Backstube, Waschküche, Sport- und Spielhaus, Holzspielplatz und ein liebevoll angelegter Naturlehrpfad. Vieles davon ist heute nicht mehr nutzbar: Die Holzspielgeräte sind morsch, der Lehrpfad überwuchert. Nach 2008 hatten die Franckeschen Stiftungen versucht, das Gut mit Pächtern weiterzuführen. Sie scheiterten an ihren teils zu ambitionierten Plänen. „Man bräuchte viel Geld, um alles wieder in Ordnung zu bekommen. Aber vor allem bräuchten wir ein Konzept, das nachhaltig ist und wirtschaftlich funktioniert“, sagt Deutsch. Daran müsse noch gearbeitet werden. Claudia Crodel Anwesen der Franckeschen Stiftungen in Stichelsdorf bei Halle setzt auf kulturpädagogische Angebote. Ein nachhaltiges Konzept und viel Geld sind notwendig.
Claudia Crodel
Autor:Katja Schmidtke |
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