Singen hat mich jung gehalten
Dienstältester Bass im Kirchenchor von Heilingen singt auch an diesem Weihnachtsfest
Von Andreas Abendroth
Zu Gast auf einem Bauernhof in Engerda (Kirchenkreis Rudolstadt-Saalfeld). Hier leben Wilhelm und Sigrid Luge. Das Besondere, Wilhelm Luge ist seit 70 Jahren Mitglied des Kirchenchores. Ein Urgestein, der viele Erinnerungen hat. Doch alles der Reihe nach.
Der heute 84-jährige Wilhelm Luge berichtet, dass alles im Jahr 1947 begonnen hat. »Damals waren wir mit der Schule fertig. Und irgendwie war ich richtig stolz. Ich durfte im Kirchenchor bei den ›Alten Herren‹ mit-
singen.«
Es sollte eine Leidenschaft werden, die bis heute anhält. Damals hielt Lehrer Schumann – er leitete den Kirchenchor – zweimal die Woche eine Singstunde ab. Lieder wurden einstudiert, sonntags und zu den kirchlichen Feiertagen dann aufgeführt. 1949 kam mit Pfarrer Heinrich Martin Hoffmann ein neuer Pastor nach Engerda. »Die Pastorenfrau übernahm den Kirchenchor, leitete ihn und uns 42 Jahre lang«, erinnert sich Luge.
Ein Lächeln geht über das Gesicht des rüstigen Seniors, wenn er sich an die Singfreizeiten erinnert: »Die fanden unter der Leitung des Arnstädter Kirchenmusikdirektors Alwin Friedel statt. Da erklang am Abend im Schaalaer ›Schwarzenshof‹ so manches nicht kirchliche Lied.«
Neben der ehrenamtlichen Chorarbeit galt es aber auch, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Im elterlichen Betrieb erhielt er eine landwirtschaftliche Ausbildung. »Als junger Mensch wurde ich Schäfer. Ich bin in den Beruf reingewachsen«, so Luge. »Mit 44 Jahren musste ich dann nochmals auf die Schulbank. Es war keine leichte Aufgabe für mich. Im Ergebnis hatte ich den Abschluss als, ›Facharbeiter für Schafzucht‹.«
Wilhelm Luge wurde die Aufsicht über 1 000 Mutterschafe übertragen. Er musste sich um die Zucht der Tiere kümmern. Auf Grund seiner Erfahrungen und seiner großen Erfolge bei der Schafzucht wurde ihm 1983 der Schäfermeister zuerkannt. Später wurde er noch Kreisschäfermeister. Luge berichtet von der Grünen Woche in Berlin, von Präsentationen seiner »Coburger Fuchsschafe«.« Von den Erfolgen als Schäfer und Schafzüchter zeugen heute noch Pokale, Staatsmedaillen und Preismünzen, die in einer Vitrine einen Ehrenplatz haben.
Neben dem Kirchenchor war Wilhelm Luge an der Gründung des Männerchores »Concordia« beteiligt. »Den habe ich 1951 mit ins Leben gerufen. 66 Jahre lang habe ich den ersten Bass gesungen.« Erinnerungen werden wach an unterschiedliche Auftritte. So an den Konzertausflug nach Pskow – die Partnergemeinde des ehemaligen Bezirkes Gera im heutigen Russland oder an die Verstärkung des Theaterchores in Bayreuth bei der Aufführung des Freischütz von Carl Maria von Weber und dem Auftritt im Kölner Dom. Etwas Wehmut kommt auf, wenn sich Luge an den Auftritt zur Landesgartenschau in Apolda in diesem Jahr erinnert: »Es war vorerst mein letzter Auftritt mit dem Männerchor. Das Singen macht mir immer noch richtig Spaß. Nur das Stehen fällt mir zunehmend schwerer.«
Doch ganz hat Wilhelm Luge dem Gesang nicht den Rücken gekehrt. Dem Kirchenchor – die Chöre aus Engerda und Heilingen sind mittlerweile vereint – bleibt er weiterhin erhalten. Seit 25 Jahren wird dieser von Pastorin Jutta Thiel geleitet. »Sie macht es sehr locker und richtig gut. Neben dem Gesang wird auch mal ein kirchlicher Witz erzählt.« In seinem Leben hat Wilhelm Luge viele Lieder einstudiert. »Die althergebrachten Melodien kann man über die vielen Jahrzehnte, lateinische Lieder bekomme ich auch noch gut hin. Nur mit den neuen englisch- oder französischsprachigen habe ich so meine Schwierigkeiten«, resümiert der Chorsänger.
Wilhelm Luge freut sich aufs Weihnachtsfest und auf die musikalische Ausgestaltung der Gottesdienste. Und vielleicht setzt er sich ganz in Familie auch noch einmal ans Klavier und spielt Weihnachtslieder.
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