Geschenk jüdischer Tradition an den christlichen Gottesdienst
Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!
Jesaja 6, Vers 3
Von Dr. Hanna Kasparick
Manchmal beginnt es fulminant, das Dreimalheilig, mit Pauken und Trompeten, strahlender Höhepunkt eines großen Werkes der Kirchenmusik. Manchmal baut es sich zart auf. Da ist dann nur die einfache Melodie, die ich sonntags beim Abendmahl mitsinge, begleitet oder unbegleitet: Heilig, heilig, heilig ist Gott … Mich berühren diese Klänge jedes Mal tief, ob sie nun kunstvoll oder schlicht ausgeführt werden. Es ist, als öffneten sich verborgene Tore, als würden Erde und Himmel durchlässig füreinander: Sie sind seiner Ehre voll. Das höre ich, das fühle ich, in und mit der Musik. Und ich staune. Nicht nur Himmel und Erde verbinden sich, sondern geheimnisvoll mischen sich die Stimmen der Toten in die der Lebenden: »Wir preisen dich mit allen, die uns vorausgegangen sind, und singen das Lob deiner Herrlichkeit.« Was für ein Trost. Es ist nicht nur wie im Himmel. Ich bin im Himmel – für dieses eine Lied. Frieden breitet sich aus. Denn wer staunt, kann nicht zerstören.
Dieses Lied mit seiner Melodie und seinem Text ist ein großes Geschenk der jüdischen Tradition an den christlichen Gottesdienst. Oder genauer: Mit diesem Lied werden wir eingepfropft in die Gotteserfahrung Israels. Die meist in unserem Gottesdienst gesungene Melodie geht über verschiedene Formen auf einen jüdischen Ursprung zurück. Und mit dem Text werden wir hineingenommen in die Berufungsvision des Propheten Jesaja: »Jesaja, dem Propheten das geschah, dass er im Geist den Herren sitzen sah, auf einem hohen Thron …« Und der ganze Thronsaal ist erfüllt vom Gesang der Himmlischen: Heilig, heilig, heilig …
Staunen will ich auch weiter. Und dabei ehrlich bleiben. Am Sonntag Trinitatis wird mir dieser Wochenspruch zu einer Anregung, dem Geheimnis Gottes nachzuspüren. Der dreimal heilige Gott kommt mir dreifach nah, als Vater, Sohn und Geist. Aber ich will nicht vergessen, wo dieser Satz seinen Ur-
sprung hat, und dafür deutlich »Danke!« sagen. Für dieses Lied aus jüdischer Tradition, mit dem auch ich leben und sterben kann.
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