Rogate 2021
VON DEM GEBET
Rogate. Mit dem Thema des kommenden Sonntags blättern wir im Vorwort der Betriebsanleitung des menschlichen Geistes. Und lesen dort, wie unser Geist erst im Gebet zum Quellcode jener offenen Sprache findet, mit der er selber programmiert worden ist. Im Gebet entdeckt der Geist sein wirkliches Gegenüber als Hilfe - ähnlich wie Adam Eva (Genesis2,23). Und es würde während des Betens so etwas wie die Übereignung eines Teils der göttlichen Allmacht an den Menschen geschehen. Gott gibt den Betenden Anteil an seiner Allmacht.
Solche bis in spekulative Sphären getriebene Gedanken sind ungewohnt. Aber dort oben in der Theorie tun sich die Pforten zu wichtigen theologischen Letztaussagen auf. Und von dort, wie vom Rücken fliegender Drachen aus, schauen wir hinab in die Wunder der Mysterien. Gleichzeitig aber gilt weiterhin: Jesus empfiehlt seinen Jüngern das einfache Vaterunser. Für Alltag, Festtag, Not und Glück gibt es nichts Besseres. Und derְְְ Schweige-Mönch vom Athos schenkte Suchenden sein Herzensgebet: „Jesus Christus, Sohn Gottes - erbarme dich unser!”
Nirgendwo mehr als in der Stille von Gebeten, die sich am Ende wie von selbst in einzelne Bitten für andere - schließlich auch für sich selbst - öffnen dürfen, findet der unstete Geist wirklichen Frieden. Beten beginnt mit dem Schweigen vor der Schöpfung in die Richtung Gottes. Dabei finden sich Worte und Bilder wie von selbst im Geist der Person ein, wenn sie betet oder zu beten ernsthaft beabsichtigt. Deshalb verändert wohl das Gebet eher die Betenden, als der Mensch mit seinen Gebeten die Außenwelt beeinflusst - von wunderbaren Ausnahmen abgesehen.
Für die Dauer des Gebets lässt die Wirklichkeit Gottes sich selbst entstehen. Gebet wäre also jenes Experiment (Erfahrung), welches Unsagbares in Gedanken und Unsichtbares in hörbare Worterscheinung wandelt. Das ist viel! Fragen nach der Existenz dieses Jenseitigen werden vom Gebet gnädig absorbiert. Im Gebet existiert, was angebetet wird. Unser Leben bleibe Gebet ...
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