Fest in Frauenhand
Reformationsjubiläum: Frauen feiern in Wittenberg und fordern Veränderung
Von Stefanie Hommers
Mehrere hundert Frauen aus 18 Nationen haben sich am Sonnabend auf dem Wittenberger Marktplatz zu einem Frauenfestmahl zusammengefunden. Zwischen den Statuen von Martin Luther und Phillip Melanchthon ging es der weiblichen Hälfte der Menschheit darum, »nicht nur aufzutischen, sondern sich vor allem einzumischen«, wie Carola Ritter, Leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland, formulierte. Sie gehörte zu den Organisatorinnen der fröhlichen Zusammenkunft. Deren Motto »ein Törtchen, ein Wörtchen, ein Lied« war einem Songtext des Liedermachers Gerhard Schöne entliehen und lud ein zu schmackhaften Gerichten, anregenden Gesprächen und gemeinsamem Gesang.
»Dass wir hier stehen, ist eine Wirkung der Reformation«, bekundete Landesbischöfin Ilse Junkermann und fügte selbstbewusst hinzu, dass durch Luthers Diktum von der Priesterschaft aller Glaubenden »alle gleichermaßen berufen sind – zu allen Ämtern der Kirche«. Doch vielerorts gilt es dies immer noch durchzusetzen. Kaum jemand weiß das besser als Jana Jeruma Grinberga. Sie wurde 2009 zur ersten Bischöfin der lutherischen Kirche in Großbritannien berufen. In der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands wäre ihr dies inzwischen verwehrt, denn 2016 sind auf Beschluss der dortigen Synode Frauen wieder vom Pfarr-
amt ausgeschlossen worden. Inzwischen ist die gebürtige Lettin Grinberga als Kaplanin der Anglikanischen Kirche in Riga tätig, ein Stachel im Fleisch der konservativen Kirchenvertreter in ihrem Heimatland. »Es stehen uns noch einige Kämpfe bevor«, bekundet sie im Gespräch und sprühte dabei vor Energie. Das Frauentreffen an der Wiege der Reformation gebe Kraft und es helfe, »einander zu stärken«.
Auch unter deutschen evangelischen Theologen gebe es Stimmen, die über »zu viel Sopran« auf den Kanzeln klagten, sprang ihr die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, bei; sie erinnerte zudem an die Reaktionen, als vor 25 Jahren Maria Jepsen zur ersten evangelisch-lutherischen Bischöfin weltweit gewählt wurde. Jepsen war beim Frauenfestmahl dabei und wurde von den Anwesenden mit großem Beifall begrüßt und gefeiert. Sie sei »Vorbild und Mut machendes Beispiel für viele Frauen« gewesen, so die Lettin Grinberga.
Dass es in Sachen Geschlechtergerechtigkeit auch noch andere Baustellen gibt, betonte Gisela Hoffmann, die zusammen mit etwa 30 anderen Frauen aus Stuttgart und Umgebung angereist war. Die Mutter dreier inzwischen erwachsener Kinder hatte sich über Jahrzehnte ehrenamtlich in der evangelischen Kirche engagiert und etwas zum Festmahl mitgebracht – ihren Rentenbescheid. Der sei ein trauriges Beispiel für die Geringschätzung weiblichen Engagements jenseits der Lohnarbeit.
Es gehe darum, »fortzusetzen, was erreicht wurde und möglichst viele Frauen mit ins Boot zu holen«, fand Andrea Klose. Die Wittenbergerin arbeitet in einer Bäckerei am Marktplatz in der Lutherstadt und war spontan als Vertreterin des Bereichs »ein Törtchen« für die verhinderte Starköchin Sarah Wiener eingesprungen. Für »ein Lied« sorgten die Theologin und Musikwissenschaftlerin Sybille Fritsch-Oppermann sowie »Brass Feminale«, eine eigens zum Frauenfesttag gegründete Formation, bestehend aus acht Bläserinnen aus allen Teilen Deutschlands.
Die Reformation gehe weiter, so Landesbischöfin Ilse Junkermann, »dafür sind wir ein Zeichen heute«. Und noch »ein Wörtchen« gab sie den Frauen mit auf den Weg: »Wir haben keine Angst vor Veränderung.«
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