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Bilderkirche № 6
Die Alte Kirche Coswig bei Meißen

Alte Kirche Coswig | Foto: Gunther Tschuch, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=101222571
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  • Alte Kirche Coswig
  • Foto: Gunther Tschuch, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=101222571
  • hochgeladen von Holger Zürch

Wer eine Bilderkirche betritt, legt den Kopf in den Nacken: Gemälde an der Decke des Kirchenschiffs zeigen Personen und Szenen aus der Bibel. Um einige dieser besonderen, auch „Bibelkirchen“ genannten Gotteshäuser in Mitteldeutschland geht es in dieser kleinen Serie. Heute: die Alte Kirche Coswig in der Nähe von Meißen.

Die evangelische Alte Kirche ist eine Saalkirche aus spätgotischer Zeit in Coswig im sächsischen Landkreis Meißen. Sie gehört zur Evangelischen Kirchengemeinde Coswig im Kirchenbezirk Meißen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.

Die denkmalpflegerische Sachgesamtheit Alte Kirche Coswig am Ravensburger Platz umfasst mehrere Einzeldenkmale: die Kirche samt Ausstattung, das Kriegerdenkmal am Kirchhof, einige Grabsteine und Einfriedung des Kirchhofs sowie den Kirchhof mit altem Baumbestand als Gartendenkmal.

Die Kirche ist laut Denkmalschutz ein „bemerkenswertes Zeugnis der Kirchenbaukunst vom späten Mittelalter bis in das 18. Jahrhundert, baugeschichtlich, stadtentwicklungsgeschichtlich sowie künstlerisch wertvoll, außerdem von singulärer Bedeutung für die Ortsgeschichte“.

Geschichte
Die reich ausgestattete Saalkirche mit voluminösem Kirchturm wurde 1497 erbaut, gefördert von Nickel Karras, dem Lehensträger des Meißner Bischofs, auf dessen nordwestlich der Kirche gelegenen ehemaligen Gutshof Karrasburg. Im Jahr 1611 wurden Kirche und Turm erhöht und die Ziergiebel am Turm, die Dächer, die Saaldecke, die Emporen und das Gestühl hinzugefügt.

Im Jahr 1735 wurde wegen Raummangels ein Teil der Westwand des Schiffs herausgebrochen und der Orgelplatz in das Turmgeschoss verlegt; aus demselben Grund wurden im 18. Jahrhundert Betstuben angebaut. 1981 wurden die spätgotischen Altarfiguren gestohlen. Im Jahr 1991 wurde das Innere restauriert.

Äußeres
Die Kirche ist ein Putzbau mit dreiseitigem Schluss und einem Satteldach. Der nachgotische Trauffries und die Eckenquaderungen stammen von 1611, gleichzeitig wurden die breiten nachgotischen Spitzbogenfenster mit Mittelpfosten eingebaut.

Am spitzbogigen spätgotischen Südportal aus Sandstein sind die Beschläge erhalten, an dessen Bogen die Wappen derer von Pöllnitz und von Karras, außerdem eine Inschrift mit Angabe des Stifters „Nikkel Karis“ und der Jahreszahl 1497. An der Südseite ist eine Inschrifttafel aus Sandstein angebracht, auf der an die Kirchenerhöhung erinnert und die Traufhöhe des ursprünglichen Bauwerks angezeigt wird.

An der Nordseite des Chores ist die Sakristei angebaut, nach Westen schließen sich zwei Betstuben mit Walmdach an den Saal an, eine gleichartige Betstube ist an der Südseite zu finden.

Der Westturm mit einem spätgotischen Portal ist auf quadratischem Grundriss erbaut, hat ein Glockengeschoss mit schmalen, doppelten Rundbogenfenstern und wird vom Satteldach mit Ziergiebeln abgeschlossen, die mit gemauerten und verputzten Pilastern und Gesimsen in vier Zonen gegliedert sind und oben jeweils mit Dreiecksgiebel bekrönt sind.

Inneres
Das Innere wird von der reichen, malerischen, teils volkstümlichen Ausgestaltung von 1611 bis zum späten 18. Jahrhundert geprägt – mit Einbeziehung des spätgotischen Flügelaltars.

Die Kassettendecke ist bemalt in Kalk-Kaseintechnik mit aus Nischen hervortretenden Apostelfiguren. Über dem Altar sind schwebende Engel mit Schriftbändern und Notenblättern zu sehen, über der Orgel Engel mit Musikinstrumenten; das Mittelbild in der Größe von vier Feldern zeigt die Auferstehung der Toten.

In weiteren Kassetten über dem Chor sind die Verkündigung an Maria, ein kursächsisches Wappen sowie eine Raute dargestellt, über der Orgel König David, Jephta mit seinen Kriegern, ein Engel und Gottvater auf seinem Thron.

Die Deckenleisten sind mit farbigen Ornamenten bemalt; an ihren Kreuzungspunkten hängen vergoldete Zapfen. Am Gesims, welches an der Wand herumläuft, ist eine lange Inschrift zu sehen.

Die zweigeschossigen Emporen sind an der Nordseite angebracht; die untere umläuft das Schiff nach Westen bis zur Südseite bis zum ersten Fenster von Westen. Die obere Empore, die 1735 an die heutige Position versetzt wurde, ist an der Brüstung abwechselnd mit Marmorierungen und Kartuschen bemalt. Die untere Empore wurde 1735 mit barocken Holzstützen und profilierten Fuß- und Brüstungsbalken erneuert.

Die Brüstungsfelder stammen von 1611 und wurden damals mit einem Passionszyklus bemalt, der mit dem Abendmahl an der Südseite beginnt und mit der Auferstehung Christi im Ostteil der unteren Nordempore endet. Dieser Zyklus wurde offenbar vom selben Meister in Kalk-Kaseintechnik ausgeführt, der auch die Decke bemalte.

Das ikonographische Programm der Passion ist inhaltlich verbunden mit der Auferstehung im Mittelfeld der Decke, die von Aposteln und Engeln bezeugt wird.

Das bemalte Gestühl mit profilierten Wappen wurde teilweise im 19. Jahrhundert verändert.

Im Chor sind schrankartige Betstuben mit floraler Bemalung angebracht. Von der Wandmalerei sind Reste floral-ornamentaler Rahmung der Fenster erhalten, außerdem ein großes sächsisches Gesamtwappen von 1611 an der Südwand, daneben ist über der Betstube ein weiteres Wappen angebracht, das mit G R (vermutlich Georg Rühle) bezeichnet ist.

An der Chornordseite ist ein Sakramentshaus mit ornamentaler Rahmung erhalten. Die Sakristei ist mit einem Spitzbogen-Tonnengewölbe abgeschlossen, die Sakristei-Tür im spätgotischen Gewände ist mit geschmiedeten Bändern versehen und wird von acht Schlössern gesichert.

Ausstattung
Der Altar ist eine seltene Verbindung zwischen dem um 1497 aufgestellten spätgotischen Flügelaltar und einem Altarauszug in Renaissanceformen von 1611. Der farbig und golden gefasste Schrein und sein völlig geöffnetes Flügelpaar werden von einem Gesims überfangen, welches den Auszug trägt.

An der Predella ist eine Abendmahlsdarstellung von dem Maler zu sehen, der die Deckenbemalung angefertigt hat. Der Schrein ist mit geschnitzten, vergoldeten Maßwerkvorhängen und -galerien versehen; die drei ursprünglichen Schnitzfiguren Maria, Barbara und Katharina im Schrein sind verloren und wurden mit Nachbildungen ersetzt, ebenfalls die in den zweizonigen, mit Maßwerk verzierten Flügeln in Dreiergruppen angeordneten zwölf weiteren Heiligenfiguren dieses ursprünglichen Vierzehn-Nothelfer-Altars. Im Auszug ist zwischen Pilastern ein Gemälde mit der Taufe Christi zu sehen, auf dem bekrönenden Postament mit seitlichen Volutenanläufen ein Pelikan als Symbol.

Die gefasste Holzkanzel mit der Jahreszahl 1612 ist am säulengetragenen, achteckigen Korb mit toskanischen Säulchen und gemalten Darstellungen der Evangelisten versehen. Die monumentale Taufe ist vermutlich spätromanischen Ursprungs; die 1718 geschaffene Taufe steht in der Stadtkirche St. Peter und Paul Coswig. Im Chor hängt ein spätgotisches Kruzifix vom Ende des 15. Jahrhunderts.

Orgel
Die Orgel mit schrankartigem zweitürigen Prospekt ist ein Werk von Gottfried Fritzsche oder Tobias Weller und stammt vermutlich aus dem Jahr 1615 oder 1624. Sie hat neun Register auf einem Manual und Pedal, das bei einer Überholung um 1735 vermutlich von Johann Ernst Hähnel die heutige Disposition erhielt. Das Instrument wurde 1990–1998 von Kristian Wegscheider nach Originaldisposition restauriert.

Koordinaten: 51° 7′ 33,6″ N, 13° 34′ 44,8″ O

https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Kirche_(Coswig)
(dort auch Verzeichnis der Autoren; Textnutzung entsprechend Creative Commons CC BY-SA 4.0)

Autor:

Holger Zürch

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