100 Jahre – Ein Resümee
Gibt es nichts Neues unter der Sonne?
Neun Jahrzehnte habe ich die Geschichte verfolgt, wie sie in unserer Kirchenzeitung dokumentiert ist. Wie oft kam mir beim Recherchieren der Satz aus dem biblischen Buch Kohelet in den Sinn: Es gibt nichts Neues unter der Sonne!
Von Dietlind Steinhöfel
Es gab Aufbruch – wie die Gründung des Thüringer Landes und den Zusammenschluss vieler kleiner Landeskirchen zur Evangelischen Kirche in Thüringen, mit der die Grundlage für unsere Kirchenzeitung gelegt wurde, oder wie die Friedliche Revolution 1989. Und es gab Absturz: hohe Arbeitslosigkeit und Machtübernahme der Nationalsozialisten.
Viele Artikel der Kirchenzeitung in den 1930er-Jahren haben mich tief erschüttert. Als Martin Sasse 1934 Landesbischof wurde, schlug sich das in der Kirchenzeitung nieder. Sasse gehörte nicht nur den Deutschen Christen an, sondern war auch Mitglied der NSDAP. Mit der Abkehr vom Evangelium und der Huldigung Hitlers in zahlreichen Beiträgen hat "Glaube und Heimat" große Schuld auf sich geladen.
"Viele Artikel der Kirchenzeitung in den 1930er-Jahren haben mich tief erschüttert"
Vor sowie nach dem Zweiten Weltkrieg bleiben die Themen Armut, Hunger in der Welt und kriegerische Auseinandersetzungen aktuell. Nach 1990 kommt eine kurze Phase des Auftauens im Kalten Krieg. Es werden Abrüstungsverhandlungen geführt zwischen den Mächten. Heute sind wir weit davon entfernt.
Nicht neu ist das Thema Flüchtlinge. Waren es 1946 die Umsiedler aus ehemaligen deutschen Gebieten im Osten, sind es heute Menschen verschiedener Nationen, die Schutz bei uns suchen. Weder die einen noch die anderen wurden und werden unvoreingenommen willkommen geheißen.
Wie hoffnungsvoll haben wir Ende der 1980er-Jahre auf die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung geschaut! Gerechtigkeit liegt noch in weiter Ferne, Frieden erst recht, und die internationale Gemeinschaft tut sich schwer mit der Bewahrung der Schöpfung.
Gibt es nichts Neues unter der Sonne? Die Gier nach Macht und Geld zerstört so oft das friedliche Miteinander der Menschen. Doch es gibt auch Hoffnungszeichen. Ich denke zuerst an die Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen nach dem Zweiten Weltkrieg: aus Erzfeinden wurden Freunde. Ich denke an die Gleichberechtigung der Frauen, die mühsam erkämpft wurde – gerade in der evangelischen Kirche. Nicht zuletzt haben sich die ökumenischen Beziehungen von scharfer Konfrontation zu mehr Miteinander entwickelt.
Was ist Gottes Weg mit uns? In der Jubiläumsausgabe zum 90. Geburtstag von "Glaube und Heimat" 2014 fand ich ein Zitat des anglikanischen Pfarrers John Henry Newman: "Ich lese die Bibel, um zu wissen, was die Menschen machen sollen, und meine Zeitung, um zu wissen, was sie machen."
Für dieses neue Jahr und unsere Zukunft wünsche ich von Herzen, dass wir mehr in der Bibel lesen, um nicht immer neu in die alten Fehler zu verfallen, sondern unsere Wege mit Gott zu gehen.
Autor:Online-Redaktion |
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