Interview
Frühjahrsputz beim Datenschutz
Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat in fast allen Bereichen für erhöhten Arbeitsaufwand gesorgt. Welche Auswirkungen hat das in den Kirchengemeinden? Sabine Kuschel sprach darüber mit Kirchenrechtsrat Thomas Brucksch, Leiter des Referats für Allgemeine Rechtsfragen im Landeskirchenamt der EKM.
Was ändert sich mit der DSGVO für die Kirchengemeinden?
Brucksch: Zunächst möchte ich erwähnen, dass es Datenschutz auch schon vor dem 24. Mai gab. Seit den 1970er Jahren existieren Datenschutzgesetze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie waren dem staatlichen Datenschutzrecht nachgebildet. Mit einem eigenen Datenschutzrecht können kirchliche Besonderheiten besser abgebildet werden.
Wichtig ist, dass der Artikel 91 der neuen DSGVO festlegt, dass die Kirchen weiterhin ihr Recht anwenden können, wenn sie es mit der Datenschutzverordnung in Einklang bringen. Dafür steht das neue Datenschutzgesetz der EKD, das innerhalb der evangelischen Kirche und der Diakonie zur Anwendung kommt. Bei den inhaltlichen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung hat sich fast nichts geändert. Das meiste, was zuvor datenschutzrechtlich zulässig war, ist geblieben. Was zuvor unzulässig war, ist es jetzt auch.
Wenn sich wenig ändert, bleibt dann für die Gemeinden alles beim Alten?
Brucksch: So weit würde ich mich nicht aus dem Fenster lehnen. Das Problem ist, viele wussten gar nicht, was datenschutzrechtlich zulässig ist oder nicht. Datenschutzrecht ist aufwendig, das ist ein Problem. Viele fragen sich jetzt, dürfen wir das. Die Frage inhaltlich zu klären, ist aufwendig.
Ich vergleiche die Situation mit einem Frühjahrsputz beim Datenschutz. Es ist zu fragen, was die Gemeinden dazu auf ihren Webseiten sagen, wie sie mit Fotos im Gemeindebrief und Internet umgehen und welche Daten im Gemeindebrief veröffentlicht werden. Verändert hat sich die »Bürokratie« um die eigentliche Datenverarbeitung herum. Eingeführt wurde beispielsweise eine sogenannte Rechenschaftspflicht. Datenverarbeitende Stellen sollen umfassend darüber Auskunft geben können, was sie mit personenbezogenen Daten machen. Auf kirchengemeindlicher Ebene passiert da aber nicht so viel, weil in den neuen kirchlichen Regelungen Schwellenwerte für bestimmte Pflichten eingebaut wurden.
Heißt das, dass die Kirchengemeinden mit etwas Sorgfalt eigentlich nichts falsch machen können?
Brucksch: Wahrscheinlich erfüllt man nie alle Vorgaben des Datenschutzes. Fatal wäre, wenn wir deshalb darauf überhaupt nicht achten würden. Ein Großteil der Fragen löst sich schon mit gesundem Menschenverstand. Wenn man sich kundig macht und zu einem verantwortlichen Umgang kommt, hat man seinen Teil erfüllt.
Gibt es eine Aufsicht?
Brucksch: Der Datenschutzbeauftragte der EKD ist auch in der EKM die unabhängige Datenschutzaufsicht und nicht der staatliche Datenschutzbeauftragte.
Bieten Sie den Kirchengemeinden Hilfe an?
Brucksch: Ja, seit Mitte Mai nehmen wir erheblichen Nachfragebedarf wahr. Wir bieten verschiedene Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen im Landeskirchenamt an, geben Einführungen in den Kirchenkreisen. Informationen, Termine und Ansprechpartner finden sich auf unserer Website.
Bei der EKM-Archivtagung war der Datenschutz Thema. Welche Relevanz hat das neue Gesetz für die Archive?
Brucksch: Grundsätzlich gilt: Datenschutzrecht schützt lebende Personen aus Fleisch und Blut. Auch im staatlichen Recht. Die Archive betrifft das neue Gesetz deshalb nur eingeschränkt. Was in den Akten der Archiven steht, sind Sachverhalte, die so lange her sind, dass man zumeist davon ausgehen kann, dass die betreffenden Personen verstorben sind. Damit sind die Angaben datenschutzrechtlich nicht mehr relevant. Mit dem Tod endet die Anwendbarkeit des Datenschutzrechtes. Der Verstorbene ist nicht rechtlos, aber es greifen andere rechtliche Kategorien.
Kirchenbücher aus dem 18. Jahrhundert unterliegen nicht mehr dem Datenschutzrecht, sondern dem Archivgesetz.
Autor:Online-Redaktion |
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