EINIGE VERSE
NACH DER WAHL
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- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
Zum Bildungskanon des deutschen Durchschnittsbürgers gehört ganz fraglos Schillers Lied von der Glocke. Alles Mögliche und sogar Unmögliche hat man in diesen Text hineinlesen wollen - und auch können. Das gesamte Leben des Menschen Homo Sapiens ist nach Meinung der Germanisten aus der bekannten Ballade ersichtlich, so wie etwa auch das Gleichnis Jesu vom Sämann sich auf den gesamten Weltkreis des Glaubens ausdehnen lässt. Ohne Ende beschäftigen Scharen von Lehrern die Schulklassen mit dem Text FESTGEMAUERT IN DER ERDEN. Da bietet es sich doch auch einmal an, nach dem gestrigen Wahlsonntag ein paar Verse des großartigen Epos’ zu benutzen, jene Situation zu beschreiben, in welcher wir uns seit gestern Abend vorfinden. Und besonders die Parteien ...
Zuerst aber - sozusagen als Aperitif - das Ding aus dem Max und Moritz Buche, wo der Lehrer Lämpel die Kraft des Pulvers hatte erleben müssen. Getreu dem Spruche Buddhas: Drei Dinge lassen sich niemals verbergen: Die Sonne, der Mond und die Wahrheit!”
Als der Dampf sich nun erhob,
Sieht man Lämpel, der – gottlob! –
Lebend auf dem Rücken liegt;
Doch er hat was abgekriegt.Nase, Hand, Gesicht und Ohren
Sind so schwarz als wie die Mohren,
Und des Haares letzter Schopf
Ist verbrannt bis auf den Kopf.Wer soll nun die Kinder lehren
Und die Wissenschaft vermehren
Wer soll nun für Lämpel leiten
Seine Amtestätigkeiten …
Nun - die Reste der Ampel aus Rot, Gelb und Grün liegen tatsächlich verkohlt am Boden - Christian Lindner schleicht sich vom politischen Parkett und die ehemalige Umweltpartei stürzt wieder auf die Oppositionsbänke zurück, um von dort aus in Zukunft - fliehend nur - eisige Schauer körnigen Eises über die grünen wollende Flur auszusenden. Bang fragt sich jeder, ob der schwarze Titan des ehemals christlichen Zentrums unter Friedrich Merz sich wie ein Phöinix aus der Asche empor schwingen möchte, oder - niedergezogen von dem selbst gewählten roten "Partner" SPD - das Haupt nicht neu wird erheben können?
An dieser Stelle soll nun endlich jene Schillerballade zum Zuge kommen, von welchem der Dichter bereits 1788 schrieb: „Zu einem lyrischen Gedicht habe ich einen sehr begeisternden Stoff ausgefunden, den ich mir für meine schönsten Stunden zurücklege.“ Zehn Jahre hat er daran herum gefeilt. Caroline Schlegel allerdings, die in Jena als "Dame Luzifer" bekannt war, schreibt im Jahr 1799: „Über ein Gedicht von Schiller, das Lied von der Glocke, sind wir gestern Mittag fast von den Stühlen gefallen vor Lachen!” Aber darauf muss man nicht viel geben - denn wir kennen das Lotterleben dieses romantischen Frauenzimmers nur zu gut. Freilich - es geht in der Glocke auch wirklich lustig zu. Alles in der Welt wird hier tatsächlich gleichnishaft beschrieben, so dass zu lachen man gar nicht umhin kommt. Deshalb: Einige Verse aus Schillers Glockenlied muss man einfach auf das gestrige Wahlergebnis anwenden! Der einst so ehrwürdigen FDP etwa könnte man Folgendes auf ihren Leichenstein meißeln lassen:
Von dem Dome
Schwer und bang,
Tönt der Glocke
Grabgesang.Ernst begleiten Trauerschläge
Christian Lindner auf dem Wege.
Ach! den schmucken Liberalen,
einst’ger Freiheit treuen Hüter,
wird der schwarze Fürst der Schatten
wegführ’n aus dem Reich der Satten,
aus der Volksvertreter Schar,
die so manchen Schelm gebar
und an steuerpraller Brust
wachsen sah mit Mutterlust -Ach! des Parlamentes Bande
sind nun los auf immerdar
und es zieht zum Schattenlande,
der des Reichs Minister war!
Nunmehr fehlt sein treues Walten,
seine Sorge wacht nicht mehr:
An verwaister Stätte schalten
Wird ein andrer, liebeleer.
Das ist nun ganz klar fast völlig übertrieben. Aber - cum grano salis - das Ausscheiden der Partei Hans Dietrich Genschers muss gebührend beklagt werden. Als nächstes wäre natürlich ebenfalls die erstarkte LINKE zu besingen, jene Nachfolgepartei der einstigen Mauerkonstrukteure, deren Verhasstheit im Osten bei jungen Leuten stetig nachlässt; und man muss sich fragen, ob dieses Nachlassen nur auf allgemeine Geschichtsvergesslichkeit hinweist oder ein verspätetes Eintreten des bekannten Stockholmsyndroms bedeutet? Keine bessere Passage als die folgende passt hier gut (Stichwort Heidi Reichinnek: „Auf die Barikaden!”)
„‚Freiheit, Gleichheit!‘ hört man’s schallen,
der ruhge Bürger greift zur Wehr,
die Straßen füllen sich, die Hallen -
und Würgerbanden ziehn umher.
Da werden Weiber zu Hyänen
und treiben mit Entsetzen Scherz.
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
Zerreißen sie des Feindes Herz.
Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
sich alle Bande frommer Scheu.
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
und alle Laster walten frei.
Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn,
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.
Weh denen, die dem Ewigblinden
Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden
Und äschert Städt und Länder ein.”
Ja, das passt! Und nun zum Schluss der Abgesang auf jene Partei, die das Land zum Abgrund trieb und weiter in diese Richtung treiben würde, wenn man sie ließe - wie manche sagen. Ihnen eignet Schillers Glocke Folgendes als Denkspruch zu. Wegen der "Vaterlandsliebe," mit der der frühvollendete Dichterfreund Goethes seine Verse beschloss. Und auch der ländlichen Idylle wegen, aus welcher die Grünen eigentlich abstammen - bis jener Tag kam, da sie Wälder für Windkraftanlagen abholzten und dem Volk verboten, mit Holz anzuschüren. Die naive Welt der Technikfeinde wird beschrieben, welche uns so gern gebieten und noch mehr verbieten:
„Munter fördert seine Schritte
fern im wilden Forst der Wandrer.
Nach der lieben Heimathütte.
blökend ziehen
heim die Schafe.
Und der Rinder
breitgestirnte, glatte Scharen
kommen brüllend,
die gewohnten Ställe füllend.Schwer herein
schwankt der Wagen,
kornbeladen,
bunt von Farben.Auf den Garben
Liegt der Kranz.
Und das junge Volk der Schnitter
fliegt zum Tanz.Markt und Straße werden stiller,
um des Lichts gesellge Flamme
sammeln sich die Hausbewohner,
Und das Stadttor schließt sich knarrend.Schwarz bedecket
Sich die Erde,
Doch den sichern Bürger schrecket
nicht die Nacht,
die den Bösen gräßlich wecket.
Denn das Auge des Gesetzes wacht.Heilge Ordnung, segenreiche
Himmelstochter, die das Gleiche
frei und leicht und freudig bindet,
die der Städte Bau begründet.
Die herein von den Gefilden
rief den ungesellgen Wilden,
eintrat in der Menschen Hütten,
sie gewöhnt zu sanften Sitten.
Und das teuerste der Bande
wob, den Trieb zum Vaterlande!”
Am Ende möge jenen Parteien, welcher unter ausdrücklicher Namensnennung bisher nicht gedacht ward, der folgende Passus gewidmet bleiben - zur wohlwollenden Beherzigung und freundlichen Aufmerksamkeit. Diese Schlussverse sind so gut, dass sie für Schwarze, Rote und Blaue zugleich gelten sollen. Das Volk wird nämlich sehr genau hinsehen, von welcher Seite her man den Worten Schillers Achtung entgegen bringen wird, oder eben nicht:
„Tausend fleißge Hände regen,
helfen sich in munterm Bund.
Und in feurigem Bewegen
werden ihre Kräfte kund.
Meister rührt sich und Geselle
in der Freiheit heilgem Schutz.
Jeder freut sich seiner Stelle,
bietet dem Verächter Trutz.
Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis,
ehrt den König seiner Würde,
ehret unsrer Hände Fleiß.Holder Friede,
süße Eintracht,
weilet, weilet
freundlich über dieser Stadt!
Möge nie der Tag erscheinen,
Wo des rauen Krieges Horden
Dieses stille Tal durchtoben,
wo der Himmel,
den des Abends sanfte Röte
lieblich malt,
von der Dörfer, von der Städte
wildem Brande schrecklich strahlt!
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