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Übernachten in der Kirche

»Art nouveau« im Thüringer Schiefergebirge: 1911 wurde die Stadtkirche Lauscha eingeweiht.  | Foto:  Facebook.com/ Förderverein Kirche Lauscha
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  • »Art nouveau« im Thüringer Schiefergebirge: 1911 wurde die Stadtkirche Lauscha eingeweiht.
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Lauschas Jugendstilkirche ist seit 1911 der markanteste Punkt der Glasbläsergemeinde. Aufwendig saniert soll sie nun »Beher(r)bergungskirche« werden.
Von Uta Schäfer

»Als wir vom ›Querdenker-Projekt‹ hörten, wussten wir sofort: Das ist was für uns. Da passen wir hin.« Carola und Konrad Dorst sind voller Begeisterung, wenn es um »ihre Kerch in d’r Lausche« im Kirchenkreis Sonneberg und um das Ausloten neuer Wege geht.
Imposant erhebt sich der Bau mit vorgeblendetem Naturstein über die schiefergedeckten Häusern im Tal. Der schlichte Kirchenraum mit der großen Strebel-Orgel erhielt durch die 19 farbigen Bleiglasfenster einen besonderen Schmuck. Um all dies erhalten und schrittweise restaurieren zu können, wurde 2011 der »Förderverein der denkmalgeschützten Jugendstilkirche zu Lauscha« gegründet, dessen Vorsitzender Konrad Dorst ist.
Als die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und die Internationale Bauausstellung (IBA) Thüringen 2017 unter dem Titel »STADTLAND: Kirche« das »Querdenker-Projekt« starteten, wurden neue Ideen für die Belebung von Kirchen gesucht. Der Lauschaer Kirchbauförderverein bewarb sich. Er habe es zwar nicht in die engere Wahl geschafft, erklärt Elke Bergt, EKM-Projektleiterin. »Aber die Beharrlichkeit und das Engagement der Menschen in Lauscha überzeugte.«
»Unsere Kirche ist von Mai bis Oktober zuverlässig geöffnet, aufmerksam beschützt von den benachbarten jungen Familien«, informiert Konrad Dorst, geschickter Netzwerker, überzeugter Christ und zertifizierter Natur- und Landschaftsführer. Außerdem organisiere man zwischen sechs und acht Konzerte mit großer Resonanz und immer mit Bewirtung der Gäste. Im Vorraum der Kirche informieren Schautafeln über Geschichte und Gegenwart. Auch bietet Dorst Führungen an zum Bildprogramm der Glasfenster oder zur Baugeschichte.
Nun gehört die Jugendstilkirche zur Themengruppe »Beher(r)bergung«. IBA-Projekt zu sein bedeute mehr Medienpräsenz und sicher auch einen Bonus bei der Vergabe von Fördermitteln, merkt Elke Bergt an. An Ideen mangelt es nicht: »Wir planen eine mehrtägige Pilgerwanderung zum Thema ›Zehn Kirchen mit zehn besonderen Glaubensausdrücken‹, die das Thüringer Schiefergebirge, seine Kirchen und Geschichte den Besuchern nahe bringt«, so Dorst. Dafür wolle man mit Partnern vor Ort kooperieren. Auch soll es für Gäste die Möglichkeit geben, in der Kirche zu übernachten.
Bei den Lauschaern scheinen sich seit jeher Festhalten und Aufbrechen nicht auszuschließen. Als Herzog Georg II. vor mehr als 100 Jahren der gewachsenen Gemeinde 20 000 Goldmark sponserte, um diese für die Sanierung der barocken Dorfkirche zu verwenden, ignorierte sie selbstbewusst diese Vorgabe. Die Lauschaer wollten etwas Zeitgemäßes, was dem gewachsenen bürgerlichen Selbstbewusstsein entsprach. In ihrem Handwerk waren sie technisch auf dem neuesten Stand, hatten eine der ersten Stadtbeleuchtungen und einen Bahnanschluss für den Export ihrer zerbrechlichen Waren in alle Welt. Im Leipziger Architekten Julius Zeißig, der die Ideen des Wiesbadener Programms (Einheit von Altar, Kanzel und Orgel) vertrat, fanden sie den richtigen Partner. Nach 13-monatiger Bauzeit konnten die Lauschaer 1911 eine hochmoderne Kirche einweihen – mit Stadtgasbeleuchtung, Zentralheizung, Toiletten und Konfirmandensaal. Ihr Ziel fest im Blick, verpfändeten sie Wald und Grundstücke und nahmen einen Kredtit über mehr als 200 000 Reichsmark für den Neubau auf.
Dieses Erbe zu erhalten, hat sich der Förderverein zur Aufgabe gemacht und schon viel erreicht. Bauleistungen für fast 47 000 Euro habe man durch Spenden, mit Mitteln des Denkmalschutzes und dank der Hilfe der Staatskanzlei vergeben können. »Im Rahmen des Projektes ›Goldener Kirchturm‹ erhielten wir 1 000 Euro von der EKM«, so Carola Dorst, Schatzmeisterin des Vereins. Etwas traurig stellt sie die Zahl in den Kontext zum örtlichen Feuerwehrverein, der die gleiche Summe spendete. »Wir wollen mit unserem Engagement für die Präsenz der evangelisch-lutherischen Kirche in der Stadt und der Rennsteigregion sorgen.«
Das war besonders wichtig in den Jahren der Pfarrvakanz. Doch mit Pfarrer Jörg Zech sei nun genau der Richtige in die Kirchengemeinde Lauscha-Ernstthal mit ihren etwa 800 Gemeindegliedern gekommen. »Er ist auch eine Art Querdenker und probiert Neues aus«, so das Ehepaar Dorst. An der ersten Palmsonntagsprozession beteiligten sich kürzlich über 60 Menschen jeden Alters und viele Vereine halfen mit.
»Wir arbeiten als Förderverein im Auftrag der Kirchengemeinde. Eine enge Zusammenarbeit ist selbstverständlich«, so Konrad Dorst. Was hier geschehe, folge dem Leitmotto über dem Altar: »Jesus Christus, Gestern und Heute und derselbe auch in Ewigkeit.«

Autor:

Online-Redaktion

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