Der Mensch denkt …
Kommentar von Sabine Kuschel
Als ich Montag früh nach dem Abbruch der Sondierungsgespräche hörte, dass die Kanzlerin sich einen Tag zum Nachdenken ausbedungen hatte, war mein erster Impuls ein Stoßgebet: Möge ihr Gott bei ihrer Entscheidung helfen. Es ist keineswegs verwunderlich, dass die Parteien mit so extrem unterschiedlichen Positionen keinen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Dass sie sich auf eine Gratwanderung begeben, war von Anfang an klar. Dennoch sah es so aus, als könnte der Spagat gelingen.
Was nun? Theoretisch sind vielleicht noch nicht alle Varianten für eine Regierungsbildung ausgeschlossen. Der Gedanke an Neuwahlen jedenfalls bereitet mir durchaus Kopfzerbrechen. Denn schon die Entscheidung im September war nicht leicht und würde es jetzt erst recht nicht.
»Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.« Dieser Vers 6 im 1. Korintherbrief 12 gehört zu meinen Lieblingsworten der Bibel. Aber was hat er mit der politischen Konstellation bei uns zu tun? Hier sind menschliches Verhandlungsgeschick, hohes Verantwortungsbewusstsein und politischer Weitblick gefragt. Außerdem: Gott hätte Wichtigeres zu tun. Warum sollte er sich um unser wohlhabendes, mit vielen Ressourcen ausgestattetes Land kümmern, während in anderen Regionen Menschen unfassbares Leid widerfährt? Verursacht von Menschen.
Ich weiß: Unsere Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart, sie webt sich zusammen und ist immer auch das Ergebnis des Wirkens von Menschen – verstrickt in Schuld. Und doch: Über dieser Erkenntnis und über all jenen Erfahrungen, die sich partout nicht erklären lassen, steht die Zusage: »Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.«
Autor:Adrienne Uebbing |
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