Ein Kreuz auf dem Dach?
In Berlin tobt ein Streit um das christliche Symbol
Von Benjamin Lassiwe
Ein Kreuz auf dem Dach? Lieber gar nichts? Oder vielleicht sogar ein Mikroskop? In Berlin, der Hauptstadt mit der latenten Furcht vor allem Religiösen, tobt wieder einmal ein bizarrer Streit. Denn »Unter den Linden«, direkt gegenüber vom Berliner Dom, wird derzeit das ehemalige Stadtschloss wieder aufgebaut. Es war 1950 von den DDR-Machthabern gesprengt worden, an seiner Stelle entstand später unter anderem der »Palast der Republik«.
Künftig soll in dem Gebäude unter anderem das Humboldt-Forum beheimatet sein, das unter anderem das bislang im Stadtteil Dahlem beherbergte Ethnologische Museum und die medizinischen Sammlungen Rudolf Virchows beherbergen soll.
Ärger indes gibt es nun um den Wiederaufbau der Kuppel auf dem Stadtschloss. Sie war im 19. Jahrhundert von den Architekten Friedrich August Stüler und Albert Dietrich Schadow nach einem von Schinkel bearbeiteten Entwurf Friedrich Wilhelms IV. über der 1854 geweihten Schlosskapelle errichtet worden – und trug selbstverständlich ein Kreuz auf ihrem Dach. Das aber soll beim Wiederaufbau besser weggelassen werden, finden Linke und Grüne, die in Berlin bekanntermaßen zusammen mit der SPD die Regierung stellen. »Das Humboldt-Forum auf eine Religion zu reduzieren entspricht nicht dem humanistischen Grundgedanken und wäre falsch«, sagt etwa die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, Antje Kapek. »Das neue Berliner Stadtschloss soll schließlich dem Austausch aller Kulturen dienen.« Und auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) lehnte das Kuppelkreuz als falsches Signal ab: Ein staatlicher Bau solle nicht der Religionsausübung dienen.
Unterstützung erhält die Idee, auf der Kuppel ein Kreuz anzubringen, dagegen von Vertretern der CDU, der beiden großen Kirchen und von anderen Religionen – womit die Diskussionslinien wiederhergestellt sind, die die Hauptstadt auch schon von anderen Konflikten, etwa dem Streit um den konfessionellen Religionsunterricht, kennt. »Wer das Kreuz auf dem Humboldt-Forum kappen will, verdrängt die Fakten unserer christlich geprägten Kultur«, schrieb etwa Berlins evangelischer Landesbischof Markus Dröge, Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, in einem Gastbeitrag für die Berliner Boulevardzeitung »BZ«. Es sei zudem »völlig unsachgemäß, heute noch zu behaupten, das Symbol des Kreuzes würde einen Dialog der Kulturen auf Augenhöhe verhindern«. Und auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, unterstützte die Idee des Kuppelkreuzes: »Das Kreuz gehört auf die Schlosskuppel, weil das Gebäude einen historischen Kontext aufweist, und dieser geschichtliche Zusammenhang hat nun mal mit dem Christentum und mit christlicher Symbolik zu tun.«
Dagegen bezeichnete der atheistische Humanistische Verband Deutschlands (HVD) das Kreuz auf dem Stadtschloss als »revisionistisch« und warf Dröge und dem Vorsitzenden des Fördervereins Berliner Schloss, Richard Schröder, einen »Kulturkampf« vor. Man selbst schlage im Übrigen vor, als Symbol für die Wissenschaftlichkeit des Humboldt-Forums ein Mikroskop auf der Kuppel des Schlosses anzubringen – womit der HVD immerhin eine überraschende Pointe lieferte. Doch auch die Stellungnahme der Humanisten passte in die Tradition der Hauptstadt, in der bekanntlich alles Religiöse am liebsten mit der Kneifzange angefasst wird.
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