Einfach vom Glauben sprechen
Sprachfähig: Wer sich in der DDR als Christ zu erkennen gab, musste damit rechnen, verspottet, schlimmstenfalls diskriminiert zu werden. Obwohl das hier und heute niemand mehr befürchten muss, fällt es vielen Christen schwer, über ihren Glauben zu reden.
Von Sabine Kuschel
Warum Christen so oft stumm in Glaubensdingen sind, hat viele Ursachen: vermutetes Desinteresse, der Wille, unbedingt Mission vermeiden zu wollen und last, but not least, Gott in Worte zu fassen ist nicht leicht. Wie soll ich in einer säkularen Umgebung einem Menschen, der selbstverständlich von der Nichtexistenz Gottes ausgeht, klarmachen, dass ich einen Draht zum Himmel habe?
»Es fällt uns schwer, über den Glauben zu reden«, unterstreicht Propst Christian Stawenow, Regionalbischof des Propstsprengels Eisenach-Erfurt. Christen glauben an das ewige Leben – dass Christus auferstanden ist von den Toten. Aber »man redet nicht mehr darüber, dass dieses schöne Leben, wenn man es denn schön getroffen hat, irgendwann einmal zu Ende geht«, so der Theologe. Darüber müsse die Kirche mehr reden, schlussfolgernd ebenso darüber, wie die Menschen zur Auferstehung der Toten kommen. Eschatologie, die Lehre von den letzten Dingen Tod, Gericht, Himmel und Hölle, ist in der Theologie heute kaum Thema. Selbst Pfarrerinnen und Pfarrern, den Profis in Sachen Glauben, fällt es nicht leicht, über diese Fragen zu sprechen.
Was trägt das Studium an der Universität zur Sprachfähigkeit des Theologennachwuchses bei? »Der akademische Diskurs hat alle Chancen, sprachfähig zu machen. Er trägt dazu bei, dass ich den Glauben verständlich machen kann«, erklärt Manuel Vogel, Dekan der theologischen Fakultät an der Universität Jena. Doch so hoch der Professor für Neues Testament den Stellenwert theologisch-wissenschaftlicher Arbeit ansetzt, weiß er auch um die Gefahr, sprachlich zu verarmen. Neben der Bibel sieht er deshalb in der Literatur eine große Fundgrube für Bilder, Geschichten, für Sprache. Sie sei ein Raum großartiger Sprache, in dem sich Theologen bedienen könnten. Wie Pfarrerinnen und Pfarrer mit ihren Predigten die Menschen erreichen, berühren können, »daran arbeiten wir«, sagt Kathrin Oxen, Leiterin des Wittenberger Zentrums für Predigtkultur. Gefragt seien nicht die großen Worte und Gedanken, sondern es sei wichtig, über Erfahrungen mit Gott zu sprechen. Über die eigene Glaubensgewissheit, aber nicht nur das. »Wir müssen uns trauen, mehr zu sagen, als wir glauben.« Wie ist das möglich? Wir sind nicht allein. Die Bibeltexte helfen uns mit ihren Bildern, Geschichten, Verheißungen.
»Ich weiß nicht, wie Schwerter zu Pflugscharen werden«, sagt Oxen. Aber sie lese beim Propheten Micha, dass dies geschehen kann. So spreche die Bibel von einer Hoffnung, die noch nicht die ihre sei, jedoch zu dieser werden könne. Die Bibel ist reich an Bildern und Geschichten. Sie überliefert vielfältige Gotteserfahrungen. Kein Mensch kann Gott in seiner ganzen Größe begreifen. Wie jeder Bibeltext eine andere Facette des Glaubens zum Ausdruck bringt, so vermag jeder Christ nur die eine oder andere Seite von Gott zu entdecken. Bekommt sozusagen jeweils nur einen winzigen Zipfel zu fassen. Aber sich mit diesem zu zeigen, ist spannend für andere.
Was glauben Christen? Welche Gewissheiten haben sie? In Gesprächen höre sie oft, dass Menschen sich von Gott getragen fühlen, erzählt Beate Marwede, Superintendentin im Kirchenkreis Meiningen. Sie denke an ein Ehepaar, das voller Dankbarkeit auf das lange gemeinsame Leben zurückblicke. Manche berichteten, wie ihnen das Gebet helfe. Und sie sprechen von ihrer Hoffnung – über den Tod hinaus.
»Ich glaube an Gott, den Schöpfer«, sagt Manuel Vogel. Wenn er diesen Satz des Glaubensbekenntnisses spreche, bezeuge er sein Einverständnis mit der Welt, wie sie ist, also fehlbar. Das Leben verwundbar und anfällig für Schuld und Versagen. Er bringe damit zugleich seine Gewissheit zum Ausdruck, so der Professor, dass Gott dieser Welt trotz all ihres Versagens und ihrer Schuld seinen guten Willen nicht aufkündigt.
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