Es ist immer Gott, der segnet
Wie wir Segen weitergeben, das kann sehr vielfältig sein; immer, wenn wir einen
Menschen segnen, stellen wir ihn in eine Beziehung zu Gott.
Von Joachim Liebig
Unsere Kinder sind längst erwachsen. Und doch gibt es Situationen, bei denen ganz frühe Erfahrungen unserer Familie eine Rolle spielen: Meine Frau und ich haben unsere Kinder gesegnet. Nach dem Abendgebet im Kinderbett ebenso wie auf dem Weg zur Schule; natürlich vor Klassenfahrten und später beim Abschied auf dem Weg in den Studienort. Bisweilen geschieht das noch heute: Wir legen unseren Kindern die Hand auf den Kopf und bitten um Gottes Segen. Leider sehen wir unsere Kinder viel seltener als früher; aber das wird eine Klage aller Eltern sein. Schon im Kindergartenalter waren die Freunde unserer Kinder verblüfft über diese für sie ungewöhnliche Situation. Selbst die Kinder spürten die Intimität des Augenblicks. Ich erinnere mich, wie ein Freund unseres Sohnes ein wenig schüchtern fragte, ob ich auch ihm die Hand auf den Kopf legen könne.
Segen ist viel mehr als ein guter Wunsch. Als Eltern haben meine Frau und ich das dringende Bedürfnis, Gottes Geleit für unsere Kinder zu erbitten. Sie müssen dann ihren eigenen Weg gehen, aber wir sind gewiss, sie gehen ihn nicht allein. Noch heute segnen wir unsere Kinder am Ende eines der viel zu seltenen Besuche. Selbstverständlich bitten wir am Anfang jeden Tages im Gebet Gott um seine Begleitung für unsere Kinder und andere Menschen, die uns am Herzen liegen. Für den Segen fehlt allerdings die körperliche Nähe mit der Geste der Hand auf dem Kopf.
Wer Segen lediglich für einen besonders frommen guten Wunsch hält, hat das Wesen des Segens nicht begriffen. Es ist immer Gott, der segnet. Wir Menschen vergewissern uns seines Geleits entweder im freien Segenswort oder in traditionsreichen Sätzen wie dem aaronitischen Segen, der jeden Gottesdienst üblicherweise beschließt.
Die Segensgeste gehört zur Vergewisserung dazu. Als Pfarrer schätze ich es sehr, wenn nach dem Abendmahl die Teilnehmenden individuell die segnende Hand auf dem Kopf auch spüren. Die zum Segen erhobenen Hände für eine Gruppe von Menschen sind für mich stets die nur zweitbeste Segensform.
Segen kann nicht pauschal gespendet werden – das »urbi et orbi« auf dem Petersplatz hat eine lange Tradition, erreicht mich allerdings nicht.
Als Pfarrer habe ich in vielen Dienstjahren Menschen auf ihren letzten Schritten in diesem Leben begleiten können. Ein Segenswort über einem gerade verstorbenen Mitmenschen und ein letztes Segenswort vor dem Weg auf den Friedhof ist für mich ein angemessener Abschied aus der Welt unserer Sinne in das Universum Gottes. Meine eigene Trauer, wie kürzlich am Sterbebett meiner Mutter, findet ihren tröstlichen Ausgang im Segen, den ich sprechen darf und dann alles an Gott übergeben kann.
Im Segen findet eine reale Nähe zwischen Gott, dem Segnenden und dem Gesegneten statt, deren Quelle nicht wir Menschen sind. Als Vater, als Pfarrer, als Ehemann, als Christ suche ich diese Nähe.
Sie tröstet mich; sie stärkt mich; sie lässt mich auch in schwerer Zeit froh meinen Weg gehen. Das ist erheblich mehr, als ein frommer Wunsch je leisten könnte.
Der Autor ist Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts.
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