Jobmotor Pflege stottert
Die Pflege gilt als Arbeitsmarkt der Zukunft, trotzdem plagen die Branche Nachwuchssorgen.
Von Adrienne Uebbing
Wenn Steffi Schmaltz und ihr Kollege Hans-Jörg Vollbrecht nach vielen Berufsjahren »auf Station« im Haus Emmaus in Ebersdorf engagiert von ihrer erfüllenden Tätigkeit erzählen (siehe Seite 3) und ihren Beruf jungen Menschen empfehlen, sollte man meinen: Das ist die beste Werbung für die Pflegebranche. Und doch sieht die Realität anders aus.
Bei den meisten Schulabgängern gelten Pflegeberufe als wenig attraktiv. Schichtdienste und sowohl körperlich als auch psychisch belastende Arbeitsbedingungen werden als Gründe genannt, auch schlechte Bezahlung und geringe Karrierechancen. Diejenigen, die in der Pflege arbeiten, bekommen häufig zu hören, dass ihre Arbeit wichtig sei, nicht selten werden sie für ihre Berufswahl von Freunden und Bekannten gelobt – »… aber für mich wäre das nichts!«, heißt es dann zumeist.
Auf der anderen Seite kursieren in den Medien immer wieder Berichte zu Pflegenotständen, zu »schwarzen Schafen« in der Branche. Das führt zu einem seltsam zweigeteilten Berufsbild: Wertschätzung für den wichtigen Beitrag für die Gesellschaft einerseits, auf der anderen Seite ein schlechter Ruf.
Die Pflege gilt gemeinhin als – kostenintensive – Last für die Gesellschaft. Das positive Pflegebild in der christlichen Tradition tritt dahinter zurück – ein strahlendes Image ist nicht gerade das, was Pflegeberufe heute auszeichnet.
Und doch: Der Pflegebedarf steigt. Pflegeberufe werden vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung noch wichtiger als bisher. Doch Bedarfs- und Angebotsprognosen stellen für 2025 ein Defizit von rund 112 000 Vollzeitkräften in Aussicht, so das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Und weiter: Ein Pflegepersonalmangel werde kaum zu verhindern sein. Zukunftsangst in der Zukunftsbranche?
Derzeit ist die Ausbildung noch in die Bereiche Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege aufgefächert. Das soll sich ab 2019 mit der Einführung einer neuen gemeinsamen Ausbildung für alle Pflegeberufe ändern, auf die sich die Koalition im April geeinigt hatte. Die Diakonie lobte den erzielten Kompromiss und begrüßt vor allem die Evaluation nach sechs Jahren. Denn damit bestehe nach der praktischen Erprobung die Chance auf Einführung einer echten generalistischen Pflegeausbildung, »für die sich die Diakonie Deutschland einsetzt«, so Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Auch der Deutsche Caritasverband sieht in der Ausbildungsreform einen »Schritt in die richtige Richtung«.
Erst vor wenigen Tagen hat der Vorsitzende des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV), Christoph Radbruch, eine umfassende Reform der Patientenbetreuung angemahnt. Auch in Krankenhäusern müsse die wachsende Zahl an hochbetagten oder dementen Patienten mehr berücksichtigt werden. Laut Radbruch ist eine angemessene Betreuung nicht nur eine Frage des Geldes. Bereits jetzt blieben viele im Kostenplan einkalkulierten Pflegestellen unbesetzt, weil Personal fehle. Deshalb müsse
der Pflegeberuf attraktiver werden. Solange allerdings Pflegeberufe bei Schulabsolventen als »out« gelten, ist laut BIBB kaum zu erwarten, dass das Angebot den Bedarf zukünftig decken kann.
Übrigens: 94,4 Prozent der Auszubildenden in einem Pflegeberuf würden diesen wieder wählen. Betont werden Spaß und Freude am Beruf, zu diesem Ergebnis kam die »Imagekampagne für Pflegeberufe« auf der Grundlage empirisch gesicherter Daten.
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