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Sehnsuchtsort Jerusalem

Kommentar von Pater Nikodemus

Gibt es gerade Gewaltausbrüche in Jerusalem? Zu oft wurde mir diese Frage in den letzten Tagen gestellt, nachdem Donald Trump Jerusalem als nur israelische Hauptstadt anerkannt hat. Um es kurz zu machen: Ja, es gibt Krawalle, aber von einer dritten Intifada kann keine Rede sein, da bei den Palästinensern sich ein wachsendes Gefühl von Resignation breit macht. Die Frage beinhaltet aber folgenden Gedankengang: Wenn es Krawalle gibt, hat Trump mit seiner Entscheidung, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, einen Fehler gemacht; gibt es jedoch keine Krawalle, dann war seine Entscheidung richtig. Darf das wirklich die Fragestellung sein?
Meines Erachtens muss die Fragestellung doch lauten: Was dient der Stadt Jerusalem zum Dialog? Was ihr zur Versöhnung? Was ihr zum Frieden? Der Zauber Jerusalems liegt doch gerade darin, dass sie eine Stadt mit einer mindestens 4 500 Jahre alten Geschichte ist, die voller Verletzungen und Vernarbungen ist, aber auch voller Geborgenheit, Hoffnung und Tröstung. Neben den Steinen dieser Stadt sind ihre lebendigen Steine, ihre Bewohner, noch viel faszinierender: Juden, Christen, Muslime in den unterschiedlichen Strömungen machen diese Stadt zu einem vibrierenden Ort der Sehnsucht und des Gebets.
Diese Stadt ist einfach zu sensibel und zugleich so kunstvoll kompliziert, dass man sie auf keinen Fall kleinkariert nationalistisch verengen darf! Sie ist eine Stadt von universaler Bedeutung, der nur der Status einer internationalisierten Stadt, eines »corpus seperatum«, gerecht wird. Alles andere tut ihr unrecht und fügt ihren vielen Narben nur eine weitere hinzu.

Benediktinerpater Nikodemus Schnabel ist Abtprimas der Dormitio-Abtei auf dem Jerusalemer Zionsberg.

Autor:

Adrienne Uebbing

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