Manifest: Kirchen als Gemeingüter erhalten
Entwidmet – und dann?
Rund 17 800 Personen (Stand: 9. Juli) haben bisher ein Manifest mit dem Titel „Kirchen sind Gemeingüter“ unterschrieben. Ziel der Initiatoren ist es, die wachsende Zahl entwidmeter Kirchen für die Allgemeinheit zu erhalten und vor rein kommerzieller Nutzung oder Abriss zu bewahren. Wer die Bauten heute allein privatwirtschaftlich als Immobilien betrachte, beraube die Gemeinschaft, heißt es in dem im Mai veröffentlichten Manifest. Die Initiatoren kommen aus den Bereichen Architektur, Baukultur, Denkmalpflege und Forschung. Staat und Gesellschaft könnten und dürften sich ihrer historisch begründeten Verantwortung für dieses kulturelle Erbe nicht entziehen. Deshalb rufen die Unterzeichner zu neuen Formen der Trägerschaft auf: „mit einer Stiftung oder Stiftungslandschaft für Kirchenbauten und deren Ausstattungen“.
In Deutschland gibt es dem Manifest zufolge etwa 40 000 Kirchen. Gläubige hätten sie seit Jahrhunderten erwirtschaftet, geschaffen und unterhalten. Die Kirchen allein seien heute jedoch mit dem Erhalt überfordert. Wenn Kirchenbauten wegfielen, veränderten sich Städte und Dörfer jedoch gravierend. Es sei deshalb eine breite Debatte über eine neue Trägerschaft notwendig, um Kirchenbauten als Gemeingüter zu sichern. Nächstes Etappenziel: 40 000 Unterschriften. Eine der Initiatorinnen, die Diplom-Theologin und Kunsthistorikerin Karin Berkemann aus Frankfurt am Main, zeigte sich von den über 17 000 in acht Wochen gesammelten Unterschriften „äußerst positiv überrascht“. Die Dauer der Aktion stehe noch nicht fest. Es gehe darum, die breite Unterstützung des Anliegens öffentlich sichtbar zu machen. Unter den 75 Erstunterzeichnern sind Bundestagsvizepräsident a. D. Wolfgang Thierse, der ehemalige Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Stephan Dorgerloh (beide SPD), Kirchenpräsident a. D. Joachim Liebig (Dessau-Roßlau), die Präsidentin des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten (Berlin), Susanne Wartzeck, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann (Berlin), und der Präsident der Kunststiftung NRW (Düsseldorf), Prof. Thomas Sternberg.
Orgelbauer unterstützen das Manifest
Auch der Bund Deutscher Orgelbaumeister (BDO) unterstützt das Manifest. „Im Gegensatz zu anderen Gebäuden verfügen Kirchen mit ihren passgenau für den jeweiligen Raum gestalteten Orgeln gleichsam über eine angeborene Tonspur. Dieses besonders enge Zusammenwirken von Raum und Klang fasziniert die Menschen nach wie vor und muss deshalb als gewachsenes und mit viel Engagement gepflegtes Ensemble erhalten werden“, so der BDO-Vorsitzende, Orgelbaumeister Jürgen Lutz aus Feuchtwangen. „Wir können es uns nicht leisten, dieses von der Unesco als immaterielles Kulturerbe anerkannte Gut ausschließlich wirtschaftlichen Interessen preiszugeben.“
Die beiden großen Kirchen nennen das Manifest in einer gemeinsamen Stellungnahme begrüßenswert. Es nehme eine gemeinsame Verantwortung für die Nutzung, die Pflege und den Erhalt von Kirchengebäuden in den Blick. Die Kirchen und die Initiatoren des Manifests eint „die Sorge um das baukulturelle und kunsthistorische Erbe, das in den Kirchen und Kapellen in unseren Ortschaften und Städten über Jahrhunderte zum Ausdruck kommt“. Ziel sollte die Entwicklung von – auch finanziell – tragfähigen Konzepten für den Umgang mit diesen kirchlichen Gebäuden und Baudenkmalen sein, so die Evangelische Kirche in Deutschland und die (katholische) Deutsche Bischofskonferenz.
Aus Sicht der Präsidentin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Christina Krafczyk, spricht nichts gegen die weltliche Nachnutzung von Sakralgebäuden, die von den Kirchen nicht mehr gehalten werden können. „Wichtig ist, dass bauliche Veränderungen behutsam und reversibel vorgenommen werden und möglichst viel Originalsubstanz erhalten bleibt“, sagte sie. Besonders geeignet seien „großformatige Nutzungen“, die sich die Raumgröße der Kirchen sowie ihre künstlerische Gestaltung und Lichtführung zunutze machten.(idea/epd)
Autor:Online-Redaktion |
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