Alternativer Nobelpreis für engagierte Frauen und Männer
Von Jürgen Prause
Colin Gonsalves scheut den Kampf gegen mächtige Interessen nicht: Der 65-jährige Anwalt hat in den vergangenen vier Jahrzehnten Indiens größtes Netzwerk für Menschenrechtsfragen aufgebaut. Am Dienstag wurde ihm neben drei weiteren Persönlichkeiten in Stockholm der Alternative Nobelpreis, der »Right Livelihood Award«, zuerkannt.
Gonsalves hatte ursprünglich gar nicht vor, Jurist zu werden. Sein Vater, ein Ingenieur aus dem südindischen Kerala, opferte seine gesamten Ersparnisse, um dem Sohn das Studium zu ermöglichen. Nach der Ausbildung fand Gonsalves einen Job als Bauingenieur in der Hafenstadt Mumbai. Doch unter dem Eindruck der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen, denen er bei seiner Arbeit begegnete, richtete er sein Interesse auf Fragen des Arbeitsrechts und die Menschenrechte. 1979 begann er neben seiner Berufstätigkeit nachts Jura zu studieren. Sein Netzwerk zählt inzwischen mehr als 200 Anwälte und unterhält Büros in ganz Indien. Zu den Fällen, die der angesehene Anwalt übernimmt, zählen Flüchtlinge, zum Tode Verurteilte, vergewaltigte Kinder, hungernde Dorfbewohner, Opfer von Säure-Attacken oder vergessene Häftlinge.
Der Menschenrechtsaktivist hat zahlreiche Prozesse vor dem Obersten Gericht in Neu-Delhi geführt und gewonnen. Mit einer Petition an die Obersten Richter gelang es Gonsalves 2001, unter Berufung auf das von der Verfassung garantierte Recht auf Leben, kostenloses Schulessen für alle Kinder in Indien durchzusetzen. Dies ermöglicht nun über 120 Millionen Schulkindern eine sichere Mahlzeit am Tag.
In den vergangenen Wochen setzte sich Gonsalves für die rund 40 000 Rohingya-Flüchtlinge in Indien ein, die Indiens Regierung nach Myanmar deportieren will. Dabei sparte er nicht mit Kritik an der hindunationalistischen Regierung von Premierminister Narendra Modi.
Neben Gonsalves wurde Yetnebersh Nigussie aus Äthiopien und Khadija Ismayilova aus Aserbaidschan mit dem »Right Livelihood Award« ausgezeichnet. Die im Alter von fünf Jahren erblindete Nigussi erhält den Preis für ihre Arbeit zugunsten der Rechte von Behinderten. Die 35-Jährige setzt sich besonders für behinderte Frauen und Mädchen ein und gilt als wichtige Stimme für die Umsetzung der UN-Behindertenrechte-Konvention. Die Journalistin Khadija Ismayilova wird »für ihren Mut und ihre Hartnäckigkeit, Korruption auf höchster Regierungsebene durch herausragenden investigativen Journalismus aufzudecken« ausgezeichnet.
Der Amerikaner Robert Bilott erhält zudem den Ehrenpreis für sein Engagement in einem 19 Jahre dauernden Rechtsstreit, bei dem er 70 000 Bürger im Bundesstaat West Virginia vertreten hat, deren Trinkwasser durch den Chemiegiganten DuPont verseucht worden war. (epd)
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