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Letzte Ruhe im Zitronenhain

»Cementerio Inglés« heißt Spaniens ältester protestantischer Friedhof, auch bekannt als Cemetery of St. George. Er liegt am Anfang der »Avenida de Príes« im Stadtteil Limonar – ganz im Osten von Malaga, nahe der Stierkampfarena. | Foto: Günter Schenk
  • »Cementerio Inglés« heißt Spaniens ältester protestantischer Friedhof, auch bekannt als Cemetery of St. George. Er liegt am Anfang der »Avenida de Príes« im Stadtteil Limonar – ganz im Osten von Malaga, nahe der Stierkampfarena.
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Unweit der Stierkampfarena: Der älteste protestantische Friedhof im katholischen Spanien ist in Andalusien zu finden.

Von Günter Schenk

Wie immer sonntags, hat sich Malagas anglikanische Gemeinde zum Gottesdienst in der Friedhofskapelle versammelt. Ein kleiner Tempel, in dem viel gesungen und gebetet, vor allem aber auch gelacht wird. Die Toten ringsum stört das nicht. Viele sind vermutlich froh gewesen, im katholischen Spanien überhaupt einen Grabplatz gefunden zu haben. Für Protestanten nämlich gab es nicht nur in Malaga jahrhundertelang keinen Friedhof. »In der Regel wurden deren Leichen«, erzählt eine Stadtführerin, »am Sandstrand mit dem Kopf nach oben eingegraben. Wenn die Hunde schneller waren als das Meer, erledigten sie den Rest«.
Eine furchtbare Vorstellung. Und eine schwere Hypothek für alle Nicht-Katholiken in Spaniens Süden, wo sich Anfang des 19. Jahrhunderts eine kleine protestantische Kolonie – vorwiegend englische Geschäftsträger und Unternehmer – angesiedelt hatte. William Mark, von 1824 bis 1836 britischer Konsul in Malaga, erwarb deshalb 1830 einen Zitronenhain außerhalb der Stadt, um seine protestantischen Landsleute würdevoll zu beerdigen. Ein Jahr später war es so weit: Spanien hatte seinen ersten protestantischen Friedhof.
Ende des Jahrzehnts kam die Friedhofskapelle hinzu. Ein Tempel mit dorischen Säulen, in der die Church of England heute ihre Gottesdienste feiert. 1865 schließlich wurde der Friedhofseingang im gotischen Stil mit zwei von Löwen gesäumten Pfeilern neu gefasst. Der Friedhof selbst ist heute Eigentum einer Stiftung, die auch für seinen Unterhalt sorgt. Dazu trägt auch das kleine Eintrittsgeld bei, das Besucher vor ihrem Rundgang am Eingang entrichten. Neue Gräber nämlich werden seit Jahren nicht mehr ausgehoben, sodass der Stiftung Einnahmen aus einem Friedhofsbetrieb fehlen.
2012 wurde der erste protestantische Friedhof Spaniens zum geschützten Kulturgut erklärt, zum Zeugen kleiner und großer Geschichte. Zum Touristenziel inzwischen auch, bietet er doch, keine fünf Fußminuten vom geschäftigen Strand der sechstgrößten spanischen Stadt entfernt, eine Oase der Ruhe. Eingebettet in grüner Natur ruhen mehr als Tausend Tote auf dem leicht ansteigenden Gelände in kleinen und großen Gräbern jeder Stilart – vom Klassizismus über Neogotik bis zum Jugendstil.
Der erste Prominente, der auf dem Friedhof seine letzte Ruhe fand, war der irische Lieutnant Robert Boyd (1805 – 1831). Er gehörte zu den halben Hundert Männer um General Torrijos, die Anfang der 1830er-Jahre einen Putsch gegen den absolutistischen spanischen König Ferdinand VII. planten.
Weil man ihr Vorhaben aber verriet, wurden sie an Malagas Playa San Andres hingerichtet. Während an die Katholiken der Verschwörung heute ein Denkmal auf der »Plaza de la Merced« erinnert, wurde Boyd auf dem seinerzeit neuen Friedhof begraben. Boyd ist nicht der einzig Prominente, der in Malaga seinen ewigen Frieden gefunden hat. Auch der spanische Dichter Jorge Guillén (1893 – 1984) und der britische Schriftsteller Edward Fitzgerald Brenan (1894 – 1987) mit seiner Frau sind hier begraben.
Deutsche Besucher suchen aber meist die Gräber ihrer Landsleute auf, die im Winter des Jahres 1900 vor der Küste Malagas einen schrecklichen Tod fanden: Beim Untergang des Schulschiffes »Gneisenau« starben mindestens 40 der rund 450 Marinesoldaten. Kaum einer, der heute an Malagas Stränden Urlaub macht, ahnt, welche Kraft das Mittelmeer entfesseln kann. So wie an jenem Dezembertag, als ein Wettersturz die Besatzung des Schulschiffes dazu zwang, ihren Ankerplatz vor der Küste aufzugeben, wo die Gneisenau im Rahmen ihrer Afrika-Mission lag. Bei Windstärke 8 war an Segelsetzen nicht mehr zu denken – und die alte Dampfmaschine konnte dem Sturm nicht trotzen. Mit voller Wucht wurde das Schiff auf die Hafenmole geworfen, wo es zerbrach und innerhalb einer guten halben Stunde gesunken ist. Hunderte von Spaniern kamen den Gestrandeten zwar schnell zu Hilfe, für mindestens 40 Männer der Schiffsbesatzung aber war es zu spät. Auch 12 Spanier ließen bei der Hilfsaktion ihr Leben, weshalb Deutschland 1909 der Stadt zum Dank eine eiserne Fußgängerbrücke über den Fluss Guadalmedina schenkte.
Karl Kretschmann – Kapitän »der schwimmenden Repräsentanz des Deutschen Kaiserreiches«, wie das Schiff einmal genannt wurde – liegt heute in einem monumentalen Grab auf Malagas protestantischem Friedhof. Den Vorwurf, trotz Unwetterwarnung nicht rechtzeitig den schützenden Hafen aufgesucht zu haben, musste er mit ins Grab nehmen. Wenig weiter liegt ein weiteres Mitglied der Schiffsführung, Karl Theodor Tutmann aus Dresden. »Die Liebe höret nimmer auf«, steht auf seinem Grab, »so doch die Weissagungen aufhören werden und die Sprachen aufhören werden und das Erkenntnis aufhören wird« – ein Spruch aus dem ersten Korintherbrief Vers 13/8. Ohne große Sprüche, schlicht und einfach, sind die Schiffsjungen in Ma-
laga begraben, der jüngste nicht einmal 15 Jahre alt.

Der »Cementerio Inglés« ist täglich außer montags von 10 bis 14 Uhr geöffnet.
www.cementerioinglesmalaga.org

Autor:

Adrienne Uebbing

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