Pommes mit Maja
Insekten könnten eines der Lebensmittel der Zukunft sein, darin sind sich Experten für Welternährung einig. Ein Schweizer findet: Warum nicht Bienen?
Von Sebastian Stoll
Sour Soup with Emmentaler – klingt gut, oder? Saure Suppe mit Emmentaler, wer könnte da widerstehen? Nichts würde besser passen zu dem quietschbunten Bretterverschlag, den der Schweizer Daniel Ambühl aufstellt, wenn er seine Spezialitäten bekannt macht – und genauso steht es auch angeschrieben, allerdings mit einem Wort mehr. Tatsächlich verkauft Ambühl nämlich »Saure Suppe mit Bienendrohnen aus dem Emmental«.
»Man erkennt das oft, dass Leute eine Schere im Kopf haben. Sie merken: Das Essen sieht gut aus und riecht auch lecker – und trotzdem müssen viele erst eine Barriere überwinden«, sagt er. Daniel Ambühl, 58 Jahre alt, ist überzeugt: Bienen sind das Nahrungsmittel der Zukunft. Er glaubt so sehr daran, dass er ein Bienenkochbuch geschrieben hat. Es trägt den Namen »Beezza«, man erfährt darin, wie man Bienenpizza zubereitet, Bienenburger – und für die Pommes dazu die »Majanaise«, die man gewinnt, indem man den Saft von ausgedrückten Larven mit Essig, Öl, Senf und Salz verrührt.
Ambühl ist nicht der Einzige, der mehr Insekten auf den Speiseplan der Menschen bringen will. Die Welternährungsorganisation FAO sieht darin eine Methode, die Welternährung zu sichern – schließlich sind in Insekten zahlreiche Nährstoffe und vor allem Proteine enthalten. Gleichzeitig seien sie aber mit wesentlich weniger Aufwand zu produzieren als etwa Fleisch. Das ist wichtig angesichts des weltweiten Bevölkerungswachstums.
Mittlerweile gibt es einen Wettlauf unter Forschern. Es geht nicht darum, ob wir einmal Insekten essen werden, sondern welche. In Teilen von Asien, Afrika und Lateinamerika werden Insekten seit jeher verspeist, insgesamt rund 1 900 verschiedene Arten. Sie tragen laut FAO zur Ernährung von rund zwei Milliarden Menschen bei.
»Bekannt geworden ist das Insektenessen in Europa über den Zoohandel. Dessen Lieferanten haben angefangen zu experimentieren, was auch Menschen schmecken könnte«, sagt Guido Ritter, Ökotrophologe an der Fachhochschule Münster – und bekennender Insektenesser. Heuschrecken und Mehlwürmer: So laute das Programm vieler Zuchtbetriebe.
Was sich in Europa noch im experimentellen Stadium befindet, das ist in Südostasien bereits eine Industrie – und nicht immer nehmen die Züchter es dabei mit Umweltschutzstandards oder nachhaltiger Produktion besonders genau, wie Ambühl sagt: »In Thailand gibt es massenhaft Grillenfarmen. Dort wird Hochproteinfutter verfüttert, das normalerweise Hühner kriegen. Das ist überhaupt nicht durchdacht.«
Ein ähnlicher Ansatz wird Guido Ritter zufolge in Südafrika verfolgt, wo Schlachtabfälle verfüttert würden. »Das würde bei uns nicht gehen, da die Europäische Union (EU) bereits festgelegt hat, dass Insekten in der Zucht so behandelt werden müssen wie andere Tiere auch. Und die dürfen keine Schlachtabfälle bekommen.«
Dass es auch anders geht, will Daniel Ambühl beweisen: Er verwendet in seiner Küche und seinen Kursen ausschließlich die Larven und Puppen der Drohnen, also der männlichen Bienen. Die Jugendform unter anderem deshalb, weil Honigbienen ihren Nachwuchs perfekt abgestimmt versorgen: »Deshalb haben die Tiere keinen Darminhalt. Das ist bei anderen Insekten ein Riesenproblem.«
Rund 2 000 bis 3 000 Drohnen werden jedes Jahr in einem Bienenstamm geboren, wie er erklärt. Gebraucht würden sie von Natur aus nur, wenn aus einem benachbarten Volk eine neue Königin hervorgehe und begattet werden müsse. Also gebe es für die Drohnenlarven keine Verwendung, vorhanden seien sie bei einer großen Zahl von Honigproduzenten trotzdem. »Es wäre für Imker überhaupt kein Problem, Drohnenlarven in Bio-Qualität zu produzieren«, sagt Ambühl. Genau genommen sei das oft jetzt schon der Fall. Nur wisse das meistens nicht mal der Imker selbst.
Doch egal, ob man Bienen, Mehlwürmer oder Heuschrecken züchtet: Welcher Europäer will das eigentlich essen? Vielleicht einer, der das Tier nicht in Gänze sieht, findet Ernährungswissenschaftler Ritter. Möglich seien etwa Snacks, Proteinriegel oder auch Burger. »Letztere gibt es schon in den Niederlanden und Belgien. Ich bin sicher: Bald schon wird man im Supermarkt Insektenschnitzel kaufen können.«
Bienenkoch Ambühl sieht das anders: »Man muss sich auf Leute konzentrieren, die wissen, dass wir nicht endlos Fleisch produzieren können. Die akzeptieren ganze Insekten dann viel eher.« Gerade bei jungen und gebildeten Menschen sei das häufig der Fall. »Das ist der Markt. Und nicht Leute, die etwas eigentlich gar nicht wollen«, sagt der Schweizer. »Sour Soup with Emmentaler Kingbees« – warum eigentlich nicht?
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