Reifenwechseln muss man können
Er muss es wissen: Zur Grundausstattung eines Pfarrers in Namibia gehören neben dem Gesangbuch ein Geländewagen mit Wasser- und Benzin-
reserven, Ersatzreifen und ein GPS-fähiges Handy – Achim Gerber ist seit sieben Jahren als Seelsorger in dem afrikanischen Land.
Von Christiane Ried
Nicht zu wissen, wie man einen Autoreifen wechselt – da wäre man in Namibia schön aufgeschmissen. Vor allem als Pfarrer. Denn selbst zum Sprengel der Hauptstadt Windhuk mit seinen 320 000 Einwohnern gehören auch Farmen, die Hunderte Kilometer entfernt liegen. Einzige Verbindung: Schotterstraßen. Zweimal sei er schon im Busch liegen geblieben, erzählt der Pfarrer der deutschsprachigen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Windhuk, Achim Gerber. »Reifenwechseln zu können, ist hier
ein Muss.«
Seit fast sieben Jahren ist der 49-Jährige aus dem fränkischen Ansbach mit seiner Frau Katja und seinen zwei Söhnen (15 und 17) schon in Windhuk, entsendet hat ihn die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Eigentlich stand Papua-Neuguinea auf Gerbers Wunschliste für eine Auslandsstation. Dann verbrachten die Gerbers einen Urlaub in Namibia – und verliebten sich in Land und Leute. Als die EKD Monate später einen Pfarrer für Windhuk suchte, war den Gerbers klar: Sie wollten zurück nach Namibia.
Zwischen Namibia und Deutschland herrscht eine besondere Verbindung: Von 1884 und 1915 war das Land eine deutsche Kolonie. Bis heute erinnern Architektur oder Straßennamen an die deutschen Kolonialherren. Deutsch ist eine der elf offiziellen Sprachen des Landes. Rund 20 000 Deutschprachige unter den 2,5 Millionen Einwohnern gibt es heute in Namibia. Eines der dunkelsten Kapitel unter der deutschen Besatzung war der Völkermord an den Herero und Nama, für den sich Ende April auch die EKD offiziell entschuldigt hat.
Das Interesse der Namibier an Deutschland sei groß, erzählen die Gerbers. Viele deutsche Touristen kämen in das Land, viele Namibier gingen zum Studium nach Deutschland, außerdem gebe es viele Geschäftsbeziehungen zwischen den zwei Ländern. Die deutschsprachige evangelische Gemeinde in Windhuk jedenfalls hat 2 500 Mitglieder, unter ihnen sind deutschsprachige Namibier oder Deutsche, die für einige Jahre in Namibia arbeiten. Ihre Heimat hat die Gemeinde in der imposanten Christuskirche aus Sandstein, die ab 1907 gebaut wurde und heute Wahrzeichen Windhuks und Touristen-Hotspot ist.
Es ist aber ein gewaltiger Unterschied, ob man im beschaulichen Franken als Pfarrer arbeitet oder im Süden Afrikas. »Namibia ist abhängig von der Natur. Für die Farmer ist Regen existenziell«, sagen die Gerbers. Das haben sie in den vergangenen Jahren hautnah erlebt. Vier Jahre lang hatte es nicht geregnet, das Land war vertrocknet, das Vieh verendete auf den ausgedörrten Weiden. »Die Menschen waren verzweifelt.« Im Januar dann kam der erlösende Regen. Das sei ein bewegender Moment gewesen, eine »Gotteserfahrung«, erzählt Katja Gerber, die an einer deutschen Schule Lehrerin ist. Die Schüler seien begeistert aus den Klassenzimmern gerannt, an Unterricht war nicht mehr zu denken.
Der Wassermangel in Namibia hat die Familie geprägt: Bei einem tropfenden Wasserhahn melde sich sofort das schlechte Gewissen, auch bei ihren Söhnen, erzählen die Gerbers. Ihr Duschwasser zum Beispiel sammeln sie und verwenden es als Toilettenspülwasser wieder.
Die Adventszeit sei für viele Namibier wegen der anstehenden Regenzeit ein »tiefes religiöses Erlebnis«, erzählen die Gerbers. Das Warten auf den Heiland ist verbunden mit dem Warten auf Regen. Und überhaupt: »Wie Regen duftet. Und wenn man dann die Wolken kommen sieht«, schwärmt Katja Gerber. Ihr Mann nickt. So sehr er auch blauen Himmel schätze. »Aber irgendwann bekommst du eine Sonnendepression.«
Für die Handvoll evangelischer Farmersfamilien, die rund um Windhuk leben, ist Achim Gerber ein wichtiger Ansprechpartner. In Windhuk hält er im Team von drei Pfarrern, darunter der namibische Bischof Burgert Brand, Gottesdienste in der Christuskirche, der Lukaskirche und der Markuskirche. Regelmäßig fährt er aber aufs Land und hält Farmgottesdienste. »Das ist so ähnlich wie Kirche im Grünen«, sagt Achim Gerber. Zu den Farmgottesdiensten kommen dann auch die übrigen Farmer aus der Umgebung. So ein Gottesdienst, verbunden mit Essen, Trinken und meist auch Übernachtung, ist für die Farmer auf dem Land eine willkommene Abwechslung.
In zwei Jahren geht es für die Gerbers zurück nach Bayern. Dann sind sie neun Jahre in Namibia, länger erlaubt die EKD nicht. Die Trennung werde ihnen schwerfallen, sind sich die Gerbers sicher. Gelernt hätten sie in der Zeit, »genau hinzuhören und nicht sofort den Mund aufzumachen«.
Namibia sei ein Vielvölkerstaat; da müsse man sehr sensibel miteinander umgehen, sagt Achim Gerber. »Arrogante Belehrungen von außen können sehr verletzend sein.« Vermissen wird er auch die »heiße Weihnacht«: »Nach der Christmette in den Pool zu springen und einen kalten Weißwein zu
trinken.« (epd)
Autor:Adrienne Uebbing |
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