Joi-joi-joi, wie soll das enden?
DAS BALTISCHE BUCH IST WEG
Seit wir wieder in Weimar leben, habe ich öfter Kontakt zu einem alten Schulfreund aus Gebesee, einem ehe-maligen Konfirmanden unseres Vaters-, der Historiker geworden ist: Jochen Kuhles. Er hat über die Reforma-tion im Baltikum seine Doktorarbeit geschrieben: "Studien zur sozialen Lage der Volksmassen und zu den Volksbewegungen zur Zeit der Reformation in Livland", war Professor für Geschichte in Leipzig und Bonn, ist nach wie vor an allem Historischen interessiert, sitzt fast täglich in der Anna-Amalia-Bibliothek und hat zuletzt ein umfangreiches Werk über die Geschichte Gebesees geschrieben ""GEBESEE - Geschichte einer Kleinstadt im Spiegel thüringischer Geschichte, Teil I, Von den Anfängen bis zum Beginn der Preußischen Zeit 1815", für dessen Druck er noch Sponsoren sucht. Natürlich gibt es schon eine Computer-Fassung, in die wir, meine Frau und ich, Einblick nehmen durften, und die wir mit Gewinn gelesen haben. Als Professor Kuhles eines Tages bemerkte, dass meine Frau ihrer Freundin Dorle wegen, die aus Reval stammt, an allem Baltischen Interesse hat, brachte er Patrik von zur Mühlens Buch "Baltische Geschichte in Geschichten, Denkwürdiges und Merk-würdiges aus acht Jahrhunderten" vorbei, das wir beide ebenfalls gern gelesen haben.
Mich hat an dem Buch bewegt, dass diese Gegend um die Städte Reval, Dorpat und Riga, an der Ostsee und dem Finnischen Meerbusen gelegen, in starker Weise von den Deutschen Rittern geprägt und alle Zeit von den
Begehrlichkeiten seiner Nachbarn (Schweden, Polen, Rußland) bedroht war, Amtssprache: deutsch; Religion: vorwiegend evangelisch-lutherisch, im Zuge des 2. Weltkrieges nach 800 Jahren so gänzlich dem deutschen Einfluss entrissen wurde...
Nachdem wir beide das Buch gelesen und uns drüber ausgetauscht hatten, sollte es wieder zu seinem Besitzer zurück gehen, was aber in Vergessenheit geriet. Monate später, auf einem der Spaziergänge durch den Weimarer Schlosspark, fiel mir der Vorgang wieder ein, und ich bat meine Frau, mir das Buch heraus zu legen, damit es wieder in die Hände des Besitzers gelangen könne. Es war ein Sonntag, und dich saß gerade an meinem PC, da kam meine Frau ganz aufgeregt mit der Mitteilung: "Das Baltische Buch ist weg. Du musst es deinem Schulfreund schon zurück gebracht haben!" Ich konnte mich nicht erinnern. So ging ich zu dem Schrank im Wohnzimmer, wo ich es zuletzt gesehen hatte, räumte zwischen Fotoalben und einigen Büchern hin und her, und siehe da, es fand sich wieder! So kann es gehen: wir sehen nicht mehr gut; wir hören schlechter als früher;
wir erinnern uns nicht mehr an alles. Joi-joi-joi. Wie soll das enden???
Autor:Martin Steiger |
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