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Kirchenkreis Eisleben-Sömmerda
Eine Taubengeschichte aus Hemleben

Foto: pixabay.com

Unsere Städte sind voller Tauben. Kinder lieben sie und rennen ihnen nach bis zur Erschöpfung. Die Tauben finden überall ihr Futter, und manche Oma bringt ihnen glücklich ihre Brotreste. Unsere älteste Tochter mag sie überhaupt nicht und spricht von ihnen als den "Ratten der Lüfte", die Krankheiten übertragen und an jedem Dreck herum picken.
Auch die Bibel spricht von den Tauben. Noah lässt dreimal eine Taube aus der Arche fliegen, um zu sehen, wie weit sich die Wasser zurückgezogen haben: die erste findet kein Zeichen neuen Lebens und ist bald wieder da; die zweite kehrt mit einem Ölblatt im Schnabel zurück (Picassos Friedenstaube), die dritte bleibt weg, was Noah als Zeichen dafür sieht, dass er die Arche bald verlassen können wird. Zwei junge Tauben waren das vorgeschriebene Mindestopfer für die Vergebung einer Schuld wie für die Beschneidung eines Knaben, da nach dem Gesetz jede männliche Erstgeburt dem HERRN gehörte, also Gott JAHWE selbst. Und auch bei Jesu Taufe spielt die Taube eine Rolle: der Heilige Geist geht dabei "wie eine Taube" auf ihn nieder. Und so steht in der christlichen Ikonographie bis zum heutigen Tage die Taube für den Geist Gottes. Die Taube ist also kein be-liebiges Tier.

Als wir eines Tages wieder einmal im alten Pfarrhaus von Hemleben sind, um uns mit Tochter Susanne und ihren Lieben zu treffen, berichtet meine Frau davon, dass sie aus dem Schornstein Geräusche gehört habe. Es ist der Schornstein unseres Hauses, den wir neu setzen mussten, und der für den Anschluss eines Kamins vorgesehen war. Ein zweiter, kleinerer Zug ist für Abluft da. Wir gehen der Sache auf den Grund, unser  Schwiegersohn und ich. Er hält die Lampe, und ich öffne die Reinigungsklappe, und als ich das dahinter liegende Blech anhebe, sehe ich, dass es sich bei unserem ungebetenen Gast um eine Taube handelt. Ich drücke sie vorsichtig nach unten, und wir beschließen, sie erst einmal dort zu lassen. Ich habe Hemmungen, sie ohne Handschuhe zu berühren und will noch einmal darüber nachdenken, wie wir verfahren können? Am nächsten Morgen nach dem Frühstück gehen wir erneut ans Werk. Wenn man so ein Tier sterben und verwesen lässt, bringt das auch keinen angenehmen Geruch ins Haus. Wir bewaffnen uns mit Zange und Lampe. Meine Frau holt noch ein Paar Gummi-Handschuhe aus ihrer alten Arztasche. Und nachdem wir auch die innere Klappe des Schornsteins geöffnet haben, greife ich sie mit der linken Hand (Dubi sieht den Ring am Fuß, der sie als Zuchttaube ausweist.), gehe mit ihr in den Garten, übergieße sie mit Wasser, wobei sie gierig ein paar Schlucke nimmt. Dann lasse ich sie los und trete zwei Schritte zurück. Sie macht ein paar Flugbewegungen, ist aber noch zu schwach, sich zu erheben. Als ich mit einem Napf Wasser komme, sitzt sie schon auf dem Hochbeet. Danach ist sie verschwunden. Wir wollten unsere Frauen an dem Ereignis teilhaben lassen. So haben wir nicht gesehen, ob sie davon geflogen ist oder sich im Gebüsch verkrochen hat? Es kommt immer wieder vor, sagt unser Schornsteinfeger, dass Tauben in Schornsteine geraten und darin verenden. Auf unserer Heimfahrt sind wir von Herzen froh, dass wir sie gerettet haben!

Autor:

Martin Steiger

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