Caspar David Friedrich
Goethe als Galerist
Doppeljubiläum in der deutschen Kulturgeschichte: Der Maler Caspar David Friedrich feiert am 5. September seinen 250. Geburtstag, am 28. August ist der 275. Geburtstag von Johann Wolfgang Goethe. Die beiden verband mehr, als viele bislang wissen.
Von Matthias Thüsing (epd)
«Goethe war die Spinne im Zentrum», so sagt es Christoph Orth von den Graphischen Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar bewusst überspitzt. Der Dichter habe um sich herum ein europaweit verzweigtes Netz der Kunstwelt gehabt. Er sei die kulturpolitische Instanz seiner Zeit gewesen, nicht nur auf dem Gebiet der Literatur. Und er habe den Einfluss und die Beziehungen gehabt, Karrieren von Künstlerinnen und Künstlern zu fördern. Der 25 Jahre jüngere Maler Caspar David Friedrich gehörte dazu.
Begonnen hat die Beziehung der beiden Männer im Jahr 1805, als sich Friedrich an der jährlichen Weimarer Kunstausstellung beteiligte. Er bekam in dem von Goethe ausgelobten Wettbewerb der «Weimarer Preisaufgaben» sogleich einen halben Siegerpreis zuerkannt.
Was zunächst eine geringe Wertschätzung vermuten lässt, weist auf den zweiten Blick auf das Gegenteil hin. «Denn die von Friedrich eingereichten Zeichnungen 'Wallfahrt bei Sonnenuntergang' und 'Herbstabend am See' entsprachen nicht dem Thema der Preisaufgaben», sagt Orth.
Goethe aber zeigte sich von der Qualität der Werke beeindruckt.
Überliefert sei die Einschätzung des Dichters, die auf die Technik, nicht aber die Motive abzielte: «Wir müssen die malerische Erfindung an diesem Stücke billig loben. (...) Die Behandlung vereinigt viel Fleiß mit Fertigkeit und Reinlichkeit in nicht gewöhnlichem Maße.»
Immer wieder übersandte Friedrich ihm bis 1812 aus Dresden Zeichnungen und Gemälde zur Begutachtung und gerne auch zur Vermittlung an begüterte Kunstfreunde. Er machte seinen Förderer Goethe gewissermaßen zu seinem Galeristen. Bei manch einem Blatt griff der Dichterfürst selbst zu, weitere empfahl er etwa seinem großherzoglichen Freund Carl August.
Das ist der Grundstock der weithin unbekannten Friedrich-Sammlung der Museen der Klassik Stiftung Weimar. Hierzu gehören heute sieben Zeichnungen und sechs Druckgrafiken. Ölgemälde sind mit drei, indes kapitalen Bildern vertreten. Jüngst wurde gemeinsam mit Museen in Dresden und Berlin noch das «Karlsruher Skizzenbuch» erworben.
Für den jungen Künstler Friedrich sei die Verbindung nach Weimar wichtig gewesen. Sachsen und damit auch sein Wohnort Dresden waren mit dem napoleonischen Frankreich verbunden - und hatten ihren Status als Ort der Künste vorübergehend eingebüßt. «Weimar dagegen war in dieser Zeit ein wichtiger Aushandlungsort für Kunst und für Friedrich gewissermaßen ein 'Karriere-Booster'», sagt die Direktorin der Stiftungsmuseen in Weimar, Annette Ludwig.
Später wird die Beziehung zwischen dem Dichter und dem inzwischen gefeierten Maler loser. «Schon der Besuch Goethes in Friedrichs Dresdner Atelier am 18. September 1810 verwundert», sagt Orth: Goethe seien die beiden heute gefeierten Meisterwerke «Mönch am Meer» und «Abtei im Eichwald», die ihm gezeigt worden seien, lediglich einen kurzen Tagebucheintrag wert gewesen.
Gerne hätte man mehr über diese Begegnung erfahren. Überliefert seien Aussagen Goethes aber nur aus fremdem Mund. Demnach sei ihm die «Abtei im Eichwald» zu trostlos gewesen. Goethe schwebten eher niederländische Winterdarstellungen mit Schlittschuhläufern vor, so die Quelle.
2024 ist ein Jubiläumsjahr für beide: Am 28. August ist der 275. Geburtstag von Goethe (1749-1832), am 5. September der 250. von Caspar David Friedrich (1774 -1840). Eine Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Weimar beleuchtet daher ab dem 22. November das besondere Verhältnis zwischen Maler und Dichter. In den eigenen Depots und Sammlungen wurde geforscht, was die Klassik-Stadt über den Aufstieg des weltbekannten Romantikers beizutragen hat. «Erstmals zeigen wir den gesamten Friedrich-Bestand», sagt Ludwig.
Zeichnungen, Briefwechsel, Rezensionen, nichts bleibt unbeachtet. Hinter der Ausstellung steht viel Forschungsleistung. Diese ganzheitliche Herangehensweise könne, erklärt Annette Ludwig, auch ein neues Licht auf die unter Kennern umstrittene Frage werfen, ob sich Goethe und Friedrich über einen Auftrag zur Anfertigung von wissenschaftlichen Wolkenstudien tatsächlich entzweit haben könnten: Goethe, immer noch begeistert von der exakten Malweise des Dresdner Künstlers, wollte Friedrich gerne mit der Wolken-Arbeit betrauen.
Doch der lehnte ab.
Wer die Quellen genau lese, sagt Ludwig, der müsse nicht zwingend ein Zerwürfnis erkennen. Denn die Begründung der Ablehnung habe der Akribie entsprochen, mit der Friedrich seine Werke plante und umsetzte. Ihm fehlte wohl die Zeit, die Arbeit ordentlich zu machen.
Damit trennten sich nach 1812 die Wege der beiden Größen der deutschen Kulturgeschichte. Friedrich - inzwischen anerkannt als Maler - habe Goethes Hilfe nicht mehr gebraucht. Und auch Goethes Fokus habe sich verschoben. «Doch nirgendwo findet sich ein Hinweis darauf, dass sich die beiden nicht mehr wertgeschätzt hätten», sagt Orth.
TIPP
«Caspar David Friedrich. Goethe und die Romantik in Weimar.» Sonderausstellung der Klassik Stiftung Weimar. 22. November 2024 bis 2. März 2025. Di - So, 9.30 - 18 Uhr. Eintritt: Erwachsene 6,00 , ermäßigt 4,00 , Schülerinnen und Schüler (16-20 Jahre) 2,00 , Kinder und Jugendliche unter 16 Jahre frei.
Autor:Online-Redaktion |
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