Schluss mit der Geheimniskrämerei
»Wie Troja ausgraben«: Vor 20 Jahren wurde das Archiv der römischen Inquisition für Forscher geöffnet
Von Bettina Gabbe (epd)
Alles, was im Vatikan mit Geld und geheimen Dokumenten zu tun hat, bleibt meist hinter hohen Mauern verborgen. Die Öffnung des Archivs der römischen Inquisition am 22. Januar 1998 war darum eine kleine Sensation. Die Geheimhaltung hatte über die Jahrhunderte zur Bildung etlicher Legenden und Verschwörungstheorien geführt und die Fantasie von Schriftstellern angeregt.
Der deutsche Kirchenhistoriker Hubert Wolf aus Münster forscht seit Jahren im Geheimarchiv und im Archiv der römischen Inquisition. Seine Bücher wie »Papst & Teufel – Die Archive des Vatikans und das Dritte Reich« lesen sich mitunter wie Krimis, beruhen jedoch auf wissenschaftlichen Recherchen. »Es ist immer noch so, wie Troja ausgraben«, schwärmt Wolf, der mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet wurde.
Schon im 13. Jahrhundert wurden Andersdenkende in Europa von der Kirche gnadenlos verfolgt. Papst Paul III. gründete 1542 die »Heilige Römische und Universale Inquisition« als Bollwerk gegen die Reformation – die Ideen Martin Luthers galten in Rom als ketzerisch. 1965 trat dann die Glaubenskongregation an die Stelle der Inquisitionsbehörde, um über die Einheit des Glaubens zu wachen.
133 Todesurteile verhängte die römische Inquisition in den 400 Jahren ihres Bestehens, die staatliche Inquisitionsbehörde in Spanien ließ mehr als Zehntausend Menschen ermorden. Sehr aktiv war die römische Inquisition beim Erstellen eines Index der verbotenen Bücher. Bis zur Auflösung der Index-Kongregation und der Abschaffung des Index 1966 wurden rund 6 000 Bücher als häretisch verboten.
Die Dokumente zur Buchzensur sind fast vollständig erhalten. Zwei Drittel der übrigen Bestände des Inquisitions-Archivs aber gingen verloren – im Zuge des Transports nach Paris unter napoleonischer Herrschaft sowie ihrer Rückkehr oder bei den Zerstörungen zu Zeiten der römischen Republik im 19. Jahrhundert.
Die Öffnung des Archives der römischen Inquisition vor 20 Jahren wurde feierlich im ehrwürdigen Renaissance-Palast der Glaubenskongregation neben dem Petersdom begangen. Es dürfe keine Scheuklappen bei der Auswertung der Dokumente geben, stellte der damalige Papst Johannes Paul II. klar. Von den dort forschenden Historikern würde kein ethisches Urteil erwartet, sondern ein Beitrag zur »möglichst präzisen Rekonstruktion der damaligen Ereignisse, Gebräuche und Mentalität im Licht des historischen Kontexts der Zeit«.
Bislang reichen die zugänglichen Akten der Vatikanarchive bis zum Ende des Pontifikats von Papst Pius XI. im Februar 1939. Wann die Bestände aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs für Forscher verfügbar werden, ist offen. »Der jetzige Papst hat eine ganz andere Baustelle in der Kirche. Er hat eine Reformbaustelle«, sagt Kirchenhistoriker Wolf. Aber die Öffnung der Akten aus der Zeit Pius XII. – des umstrittenen Papstes der Hitler-Zeit – werde kommen.
Autor:Online-Redaktion |
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