Von misslungener Beförderung
SCHMUCKSTOCK
Am 21. September 2013 hatten wir in Sondershausen die Trauung unserer Tochter Beate Steiger mit ihrem
Sebastian Koch, dem Vater ihrer gemeinsamen Kinder Cosima Coco und Caspar Bent, wobei Caspar Bent getauft wurde.
Beide Kasualien hat zu aller Zufriedenheit unser Freund Martin Sch. vollzogen, der Patenonkel von Beate.
Natürlich waren auch die Geschwister eingeladen, darunter Christiane mit ihrem Mann Jojo Reynike aus dem
fernen Kapstadt. Christiane hatte für mich einen geschnitzten Stock mitgebracht, d.h. sie durfte ihn nicht ins Handgepäck nehmen, da er als "Waffe" zu benutzen wäre, sondern musste ihn mit Koffern und anderen Gepäckstücken transportieren lassen. Als sie dann am Gepäck-Kreisel des Frankfurter Flughafens auf ihre Sachen wartete, kamen ihr Koffer zwar leicht lädiert an, der Schmuckstock aber war nicht aufzufinden. Das alles wurde protokolliert und versichert, dass der Stock mit der Post nachgeschickt werde. Mir gegenüber aber hatte Christiane nur erklärt, dass sie noch "eine Überraschung" für mich habe. Nach wenigen Tagen kam der Stock an. Er war vielfach beklebt und unvollständig: der Kopf war abgebrochen und fehlte. Ich bat den Postrich (DHL) noch einmal zu kommen. Unsere Tochter sei gerade in der Stadt und nach ihrer Rückkehr, könne ich sie befragen und klären, wie wir damit verfahren wollten. Er kam kein zweites Mal. Wir erhielten aber nach der Trauung einen Anruf aus 65451 Kelsterbach, Airline Bagage Service, mit der Anfrage, was nun mit dem Stock werden solle? Sie könnten uns den Wert ersetzen (20.-- EU) oder ihn erneut zuschicken? Ich hatte inzwischen mit Christiane gesprochen und wollte ihn auch lädiert annehmen. Den Kopf könnte man vielleicht ersetzen?
Nach mehreren Tagen erhielten wir über DHL einen sehr schweren Koffer. Er war an Steiger/Reynecke, Weimar, Kaufstraße 18 adressiert, und da ich den Stock zunächst abgelehnt hatte, nahm ich den Koffer nun an.
Ich schob ihn in meine Zimmer, befreite ihn von einer mehrfach zerrissenen Schutzhülle und betrachtete ihn von allen Seiten. Der Absender war ein Li Fangfei Tai mu hasting 003 Fuding Provinz Fujian, China; Phon und E-Mail. Was hatte unsere Tochter mit China zu tun? Sie hatte zwar einmal ein Praktikum in Honkong gemacht,
doch blieb mir alles rätselhaft. Als ich meiner Frau den Koffer zeigte, zog ich mir ihren Unwillen zu: den hätte ich unter keinen Umständen annehmen sollen! Wer weiß, was der alles für Keime transportiere!? Und öffnen sollte ich ihn gleich gar nicht! Ich öffnete ihn dennoch. Man kann sich von seiner Frau nicht alles verbieten lassen. Der erste Blick auf den Inhalt zeigte ganz normalen Reisekram, sorgfältig verpackt. Ich schloss den Koffer wieder und schaffte das schwere Stück in unseren Keller. Kakerlaken sollten, falls überhaupt, im Keller schlüpfen...
Aber der Koffer ließ meiner Frau keine Ruhe. Der Chinese würde schließlich auf seine Sachen warten. Sie rief zunächst Tochter Christiane an, doch die kannte die Adresse nicht. Danach rief sie Kelsterbach an (s.o.). aber
die Dame von A.B.S. (Airline Bagage Service) hatte gerade keinen guten Tag: Wer das alles bezahlen solle, wollte sie wissen. Meine Frau hätte wohl keine Ahnung, was sowas koste? Doch da war meine Frau ganz cool.
Der Koffer stünde im Keller. Sie würde noch eine Woche warten, und wenn der Koffer dann nicht abgeholt worden sei, dann würden sie das Ding im Hausmüll entsorgen. Der Fehler liege schließlich bei ihnen und nicht bei uns!!! Ich wollte nicht untätig sein und sandte eine E-Mail an den Absender, doch von dem kam keine Antwort. Tags darauf kam eine Anfrage vom Flughafen Frankfurt/M, ob wir den Schmuckstock bekommen
hätten? Nein, sagte meine Frau. Dafür aber einen Koffer aus China, den wir gern wieder los sein würden.
Dieses Mal war ein freundlicher Pfälzer am Telefon. Ja, da sei etwas falsche gelaufen. Er hörte sich alles an und versprach, die Sache zu regeln. Und, keiner konnte es glauben; der Koffer wurde abgeholt, und eines Tages kam auch der Stock. Der war freilich noch mehr defekt als vorher zu sehen war. Irgendeiner hatte das geschickt vertuscht.
Wer sollte das alles nun zu einem glücklichen Ende bringen? Mir fiel Pater G. ein, der frühere Bürgermeister von Schöndorf, ein Mann mit Holzverstand, goldenen Händen und der Ehemann der Physiotherapeutin meiner
Frau. Der Bruch sei kein Problem. Den würde er gleich leimen. Wegen des Kopfes wolle er mit Herrn Kaiser Kontakt aufnehmen, dem Chef vom "größten Krawatten-Laden nördlich der Alpen", der auch Antiquitäten
vertreibe. Als sich Peter G. wieder meldete, hatte er folgendes zu berichten: er Kopf sei vermutlich der einer Kobra gewesen, doch als Schnitzer sei er überfordert. Er könne sich aber vorstellen, den Knauf aus Ebenholz zu bilden und mit einem Holzdübel zu verbinden. Auf der anderen Seite wolle er, ebenfalls aus Ebenholz, ein Fuß-Stück ansetzen. Der Stock sei als Gehstock ohnehin zu kurz. So hätte das Ganze Hand (Kopf) und Fuß, und ob ich ihn dann als Gehstock benützte oder als Schmuckstock an der Wand befestigte, sei meine Sache. Nach ihrem nächsten Besuch im Hause G. brachte meine Frau dann das gute Stück mit. Ich war begeistert!
Übrigens: eine unerklärliche chinesische Krankheit ist nicht über uns gekommen, und Kakerlaken haben wir
bisher auch keine im Keller...!
Autor:Martin Steiger |
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