Mögen sie ruhen in Frieden!
SO FRÖHLINGLICH
Günter-Konrad S. hatte als Angestellter der HO (Handelsorganisation der DDR) zunächst in der Brauhaus-straße 1, später in der Bahnhofstraße 3 von Bad Berka einen kleinen Laden für Haushaltswaren, in dem er souverän und kenntnisreich hinter dem Verkaufstisch agierte. Er war Jahrgang 1916 und eigentlich Ost-preuße. Aber er war schon als Kind mit Eltern und Geschwistern nach Dresden gekommen, eine Stadt, die ihn sehr geprägt hat. Er studierte an der Sächsischen Kunstakademie Malerei bei Prof. Franz Krowacek und hat in jungen Jahren als Austauschstudent einige Zeit in Italien verbracht. Die Bilder, die in seinem Haus in der Blankenhainer Waldstraße an den Wänden hingen oder auf der Staffelei standen, haben mir durchaus gefallen. Der Grund dafür, dass er schließlich sein Brot anderweitig verdiente, -zunächst im "Schatzkästlein" in Blanken-hain, einer Kunst- und Kunstgewerbehandlung, dann in jenem HO-Laden in Bad Berka, ist mir entfallen. Es kann sein, dass er den sichereren Broterwerb vorgezogen hat; in jenen Jahren wurde der private Handel ja auch nicht gerade gefördert, um es vorsichtig zu formulieren! Doch malte er weiter, hielt Vorträge über Weimar, Dresden und die Kunst Italiens und führte eine umfangreiche Korrespondenz.
Eine Episode aus den Anfängen unserer Bekanntschaft ist mir in Erinnerung geblieben. Als ich in seinem Geschäft an der Reihe war, zeigte ich auf einen Gegenstand zum Zerkleinern von Holz und sagte: "Herr S.,
ich hätte gern diese Axt da." Seine Antwort kam prompt: "Herr Steiger, das ist keine Axt, sondern ein Handbeil." Wir kannten uns also mit Namen, und er korrigierte gern. Er war uns aber immer wohlgesonnen. An die 25
Jahre haben wir neben ihm und seiner Frau Mechthild, die Lehrerin war, in der ersten Reihe bei den Sinfonie-Konzerten der Staatskapelle Weimar gesessen. Jedoch hat er immer darauf geachtet, dass er der Besitzer aller vier Anrechts-Karten blieb, so dass eine gewisse Abhängigkeit von ihm über die Jahre hinweg bestanden hat.
Zum Konzert fuhren wir aber immer getrennt, weil seine Konzertabende mit einem Abendbrot im Hotel "Elefant" begannen, wo er einen festen Platz hatte und fast immer vom Oberkellner bedient wurde, der von ihm ein gutes Trinkgeld erhielt. Herr S. erschien auch nie unvorbereitet zum Konzert. Er hatte zu Hause eine wohlgeordnete Ablage aller Konzerte, die er je gehört hatte, und nahm bestens präpariert in seiner Reihe Platz, immer gut gekleidet, manchmal etwas auffällig (rotes Hemd, goldene Brosche). Aber das war gewollt. Er
kannte viele der Musiker und Dirigenten persönlich, und er hatte keine Scheu, mit Dirigenten oder Solisten ein Gespräch zu beginnen. Als er eines Tages in der Zeitung las, dass Rainer Barzel, der auch Ostpreuße war, und zeitweise Bundesminister für Innerdeutsche Beziehungen, im "Elefanten" Quartier genommen hatte, da ließ er sich anmelden, wurde auch vorgelassen und hatte ein langes Gespräch mit dem Minister. S. war Ehrenmitglied
der Akademia Internationale Rom, ihm wurde die Ehrendoktorwürde verliehen und zuletzt auch der Profes-soren-Titel. Gern wäre er noch "Senator" geworden. So war Günter S. Ein gewisses Geltungsbedürfnis war ihm
nicht abzusprechen.
Mehrfach waren wir bei ihm eingeladen. Das waren sehr gut vorbereitete Abende in nicht zu großer Runde mit
wohltemperierten Getränken, ausgesuchten Speisen und interessanten Gesprächen. Nachdem wir 1977 in ei-ner Runde mit Prof. Hellberg und Frau sowie Prof. Ganguin und Frau bei ihm zu Gast waren, wo es sehr gesittet zuging, ist eine spätere Rund wohl etwas aus dem Ruder gelaufen. Das behauptete jedenfalls unlängst eine aus der Gruppe der damals Eingeladenen, als wir zufällig darüber sprachen. Wir hätten uns ziemlich daneben be-nommen und S.s Gästebuch respektlos behandelt. Wir, das waren Pfarrer-Ehepaare aus Blankenhain, Troistedt und Legefeld, und es war ein sehr fröhlicher Abend. Das hing damit zusammen, dass unser Gastgeber im Laufe
des Abends einen erlesenen Whisky auf den Tisch brachte. Proportional zur Abnahme des Inhalts stieg unsere
Stimmung. Zuletzt wurde uns das Gästebuch vorgelegt, in das wir uns unbedingt eintragen sollten. Der Eintrag
blieb schließlich an mir als dem Ortspfarrer hängen. Ich begann mit großer Schrift: Wir sind so fröhlinglich, wie
eine Stute, die angemalt unter einer Brücke steht... Analgina + ein weißes Tuch spielten bedeutsame Rollen...
Gondel, mein Liebchen, Tahaa... (Datum (26.11.79) und Unterschriften.
Nun, das war nicht gerade der Weisheit letzter Schluss, und den Inhalt darf man am Ende eines solchen Abends nicht auf die Goldwaage legen. Das Schriftbild zeigt, dass ich nicht der einzige Täter war, und Alkohol war ja auch im Spiel. Meine Frau fragt: Warum hast du nicht einfach geschrieben: "Es war ein sehr fröhlicher Abend, und wir danken herzlich dafür!" Das hätte doch gereicht. Ich fand mich aber sehr kreativ, denn im Duden steht das Wort "fröhlinglich" nicht. Ich habe bis heute keine schlechte Erinnerung an den Abend, und bekommen war er mir auch. Noch einmal eingeladen waren wir in der Runde allerdings nicht. Doch das kann auch damit zusam-men hängen, dass Frau S. bald sehr krank wurde., und wir 1983 die Stelle gewechselt haben. Unserer Freund-schaft hat der Abend jedenfalls keinen Abbruch getan. Nachdem ich 1972 die Trauerfeier seines Schwie-gervaters Florus Kommelle gehalten hatte, habe ich dann Jahre später (1998) auch die von Günter-Konrad S. gehalten unter dem Wort aus Psalm 27: "Mein Vater und meine Mutter verlassen mich, der Herr aber nimmt mich auf." Mögen sie ruhen in Frieden!
Autor:Martin Steiger |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.