Blick verstellt
Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?
Johannes 5, Vers 44
Von Sebastian Kircheis
Die Sucht nach Anerkennung ist wie ein Drache, der ständig eine neue Jungfrau braucht: Zuerst jedes Quartal, dann jeden Monat und zuletzt jeden Tag.«
Wir scheinen im Zeitalter dieses Drachens zu leben: Fernsehshows leben davon, Facebook und Twitter verleiten dazu, auch manche kirchlichen Events und ihre medialen Inszenierungen scheinen darauf ausgerichtet, Ehre und Anerkennung einzufahren. Warum ist dieser Drache so gefährlich? Er sorgt dafür, dass wir gefangen bleiben im Bannkreis unseres »Ichs«, und den Blick verlieren, der offen ist für die größere Wirklichkeit, für Gott.
Wer so Ehre sucht und Ehre annimmt, will dabei in seiner Position bestätigt werden. Er hasst es, sich infrage stellen zu lassen. Sogar das fleißige Studium der Schrift kann benutzt werden zur Selbstbestätigung: du bist richtig, du glaubst richtig, du denkst richtig. Wir denken an die vielen gegenseitigen Lehrverurteilungen vergangener Jahrhunderte, an die intensive Arbeit an einer Schriftinterpretation »ohne jüdische Einflüsse«, wie sie durch die »Deutschen Christen« vorangetrieben wurde. Wir denken an den erbitterten Streit mit allseitigen Berufungen auf die Schrift, wie er in manchen Kirchen und Gemeinden um kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare geführt wurde und wird. Wir denken an uns selbst, wenn wir in der Bibel suchen und forschen, nur um den Zipfel zu fassen kriegen, der unsere ach so richtige Position bestätigt.
Ist nicht Jesus Reden und Tun eine dauerhafte und intensive Infragestellung unserer Denk- und Handlungspositionen? Ist nicht alles, was er sagt und tut, dazu angetan, mich aus dem Gleichgewicht der selbstgefälligen Selbstbehauptung zu bringen? Damit mein Blick hinausgeht über den Bannkreis meiner Selbstgefälligkeit und Selbstzufriedenheit und frei wird für den Zuspruch und Anspruch Gottes?
Dietrich Bonhoeffer hat es auf den Punkt gebracht: »Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen, dann wirft man sich Gott ganz in die Arme … Und dann wird man nicht mehr das Beliebige tun, sondern das Rechte tun und wagen.«
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