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Das Leben geht weiter, als man denkt

Samuel Koch ist seit dem Unfall bei »Wetten dass..?« im Jahre 2010 querschnittsgelähmt. | Foto: epd-bild

Porträt: Samuel Koch – Wie der Unfall bei »Wetten, dass..?« seinen Glauben veränderte

Sport war sein Leben. Bis Samuel Koch 2010 bei »Wetten, dass..?« schwer stürzte. Doch statt sich zu verkriechen, wurde er Schauspieler, schrieb Bücher.
Hätte er sein Schicksal gekannt, er wäre davongelaufen, sagte Samuel Koch einmal. 2010 brach sich der Kunstturner bei der Fernsehshow »Wetten, dass..?« mehrmals die Wirbelsäule. Seitdem ist er vom dritten Halswirbel an gelähmt. Aber Koch will in Bewegung bleiben, er schloss sein Schauspielstudium ab, ist Ensemblemitglied am Staatstheater Darmstadt, engagiert sich sozial, vergangenes Jahr heiratete er. Am 28. September wurde er 30 Jahre alt.
Leicht zerstrubbeltes blondes Haar, oft einen Drei-Tage-Bart. Auf Fotos sieht man Koch meist in einem Sessel sitzen. Nur selten im Rollstuhl. Koch sagt, er hat sich 23 Jahre lang eher Saltos schlagend vorwärts bewegt als gehend. Bei sportlichen Herausforderungen hätte er fast nie nein sagen können. Jetzt dürfe er seiner Lähmung nicht so viel Aufmerksamkeit schenken. Zu seinen »Weitermach-Aktionen« gehören Konzertlesungen: Gemeinsam mit Sänger Samuel Harfst tourt Koch durch Deutschland, die Freunde lesen und singen über das Leben, das nicht nach Plan verläuft. Harfst sagt über seinen Bühnenpartner, Samuel Koch meistere sein Leben als Querschnittsgelähmter jedes Jahr ein bisschen besser. Er sei ein Kämpfer: »Wenn andere sich krankschreiben lassen, zieht er das Programm ohne mit der Wimper zu zucken durch.«
2010 war Koch der erste Kandidat der vorweihnachtlichen »Wetten, dass..?«-Sendung in Düsseldorf. Seine Paten waren Komiker Otto Waalkes und das Model Sara Nuru. Der Leistungssportler wollte mit Springfedern unter den Schuhen in vier Minuten über fünf fahrende Autos springen. Dreimal gelang ihm das mit Bravour. Aber beim vierten Auto, das sein Vater fuhr, stürzte er.
In den ersten 40 Stunden danach konnte er sich noch bewegen, dann zog die Lähmung in seinen Körper hoch. Koch, der aus einer protestantischen Familie in Südbaden stammt, sagt, sein Glaube habe sich durch das Unglück verändert. »Vor dem Unfall hatte ich eher eine Fernbeziehung zu Gott«, erklärte er im Juni 2017 beim Christustag in Leinfelden. Inzwischen habe sich das intensiviert.
Er habe zahlreiche Nächte mit Gott diskutiert, voller Wut und Verzweiflung. »Ich war nicht mehr der Chaot, der Turner, der Sportler, dem alles gelingt. Ich war reduziert auf das, was der Unfall von mir übrig gelassen hat.« Er habe zunächst nicht alleine in einem Zimmer sein wollen, nur mit seinem Körper zusammen.
Irgendwann habe er das »Vaterunser« wieder beten, den Satz »dein Wille geschehe« wieder aussprechen können. »Auch wenn der vielleicht ganz anders aussieht als meiner«, sagte Koch in einem Interview.
Nach seinem Sturz entdeckte er das Schreiben für sich: Im April 2012 erschien der Spiegel-Bestseller »Zwei Leben«. Darin erzählt er, wie er nach dem Unfall erkannte, dass er nichts mehr zu verlieren hat. Nur noch gewinnen kann. An einigen Stellen schimmert Galgenhumor durch: »Nehmt mich doch mit«, ruft er seinem Bruder und Freunden zu, als sie zum Schwimmen gehen. »Ihr könnt doch nach mir tauchen.«
Er nimmt auch sein bereits vor dem Unfall begonnenes Schauspielstudium wieder auf. Im Juli 2014 schließt er es an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover ab. Im darauffolgenden September wird er
Ensemblemitglied am Staatstheater Darmstadt.
Dort spielte er etwa in dem Stück »Madame Bovary« mit oder in Goethes »Faust«. Bei Dreharbeiten zu der ARD-Soap »Sturm der Liebe« lernt er die Schauspielerin Sarah Elena Timpe kennen. 2016 heiraten sie in seiner Heimatstadt Efringen-Kirchen (Kreis Lörrach). Nach der Hochzeit klagte Koch darüber, dass ihm und seiner Frau öfter »viel Kraft« statt »herzlichen Glückwunsch« gesagt werde. »Es nervt uns manchmal, dass es so dargestellt wird, als hätten wir so ein Opfer zu tragen«, sagte er im Herbst 2016 im ZDF-Magazin »Volle Kanne«. Es sei keine Bürde, ein Paar zu sein.
Im September 2015 veröffentlichte Koch sein zweites Buch »Rolle vorwärts«. Darin schreibt er über sein Leben auf Rädern. Wie er im Schauspielstudium lernte, sich nicht auf die Frage zu konzentrieren: »Was kann ich nicht?«, sondern zu schauen: »Was kann ich?«. Und wie er sich jeden Tag lustige, schöne und glückliche Stunden sucht, »die mir gezeigt haben, dass das Leben manchmal weiter geht, als man denkt«.
Seinen Bekanntheitsgrad nutzt der Schauspieler immer wieder, um auf soziale Projekte aufmerksam zu machen, etwa auf die »Elfmeter-Stiftung«, die sich für Kinder mit Rückenmarksverletzungen einsetzt. Laut seiner Homepage baut Koch gerade eine Stiftung auf, die sich für Menschen engagiert, die einen ähnlichen Unfall hatten wie er.
»Vielleicht heilt mich Gott ja doch noch, still und leise in der Nacht«, schreibt Koch in seinem Buch. »Das stelle ich mir manchmal vor: Wie ich die Beine über die Bettkante schwinge, einfach aufstehe, und wie Gott und ich uns verschmitzt anlächeln.« (epd)

Koch, Samuel, Müller, Titus: »Rolle vorwärts. Das Leben geht weiter, als man denkt«, adeo, 248 S., ISBN 978-3-863340711, 17,99 Euro.
Koch, Samuel, Fasel, Christoph: »Zwei Leben«, adeo, 205 S., ISBN 978-3-942208-53-6, 17,99 Euro.
Bezug über den Buchhandel oder den Bestellservice Ihrer Kirchen­zeitung: Telefon (0 36 43) 24 61 61

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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