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Gib niemanden verloren

Michael Tetzner, Pfarrer in Freiberg | Foto: privat

So, sage ich euch, ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.
Lukas 15, Vers 10

Von Michael Tetzner

Mit dem Verlieren ist das so eine Sache. Es löst Angst aus, vielleicht auch Traurigkeit und Trauer. Warum eigentlich? Das meiste ist doch zu ersetzen! Haben wir eine Urangst vor dem Verlust in uns, weil wir wissen: Eines Tages werden wir einmal alles verlieren?
Was bleibt dann noch von dem, wonach wir jetzt so sehr streben? Gibt es denn nichts, was bleibt? »Gott«, würden meine Konfirmanden sagen, weil auf solche Fragen diese Antwort immer passt. Aber stimmt das? Kann man Gott wirklich nicht verlieren?
Doch, und dabei denke ich an die Verlorenheit, wenn Menschen meinen, sie bedürfen keiner Barmherzigkeit. Denn wer glaubt, Gottes Liebe, seine Vergebung, seine Gnade nicht mehr zu brauchen, der ist wirklich verloren!
Jesus spricht im Gleichnis davon, dass ein Mensch neunundneunzig Schafe in der Wüste lässt und dem verlorenen nachgeht, bis er es findet. Was für ein starkes Bild. Kirchengemeinde rechnet oft anders, muss anders rechnen: 99 ist mehr als 1. Aber was mathematisch klar ist, muss längst nicht christlich sein. Und es ist gewiss nicht barmherzig.
So mathematisch muss wohl ein Rechtsstaat rechnen, aber als diejenigen, die dem Herrn gehören, – dürfen, sollen wir barmherzig sein.
Vom Tag meiner Ordination ist mir nicht mehr viel in Erinnerung. Aber eins klingt noch in mir nach. Der Moment, als der Superintendent mir den Auftrag gab: »Gib niemanden verloren.« Dieser Auftrag heißt für mich nichts anderes, als so zu handeln wie der Mensch, der neunundneunzig Schafe in der Wüste lässt und dem verlorenen nachgeht, bis er es findet.
Dieses Wissen macht es mir als Pfarrer leichter, mich auch für Flüchtlinge einzusetzen, auch mit dem Wissen, dass ich andere Aufgaben liegen lassen muss. Die offensichtliche Not der Einzelnen, welche eine Erstversorgung – auch geist-
lich – benötigen, hat für mich Vorrang. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für alle Deutschen, die in Not geraten und einen Seelsorger oder Pfarrer benötigen.
Ich bin dankbar, dass die Gemeinden, in denen ich Dienst tue, erkennen, dass diese Arbeit für alle ein Gewinn und Grund zur Freude ist.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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