Vater Unser
Von Alf Christophersen
Im Werk von Max Pechstein, der am 31. Dezember 1881 in Zwickau geboren wurde und sich von dort aus, zunächst über Dresden, einen bleibenden Platz in der Kunstgeschichte erarbeitete, bilden religiöse Themen keinen Schwerpunkt. Aber es gibt Ausnahmen: 1921 veröffentlichte Pechstein eine zwölf Blätter umfassende Holzschnittfolge zum »Vater Unser«. Konsequent werden hier Schrift und bildliche Darstellung verknüpft. Unverkennbar ist
der programmatische Duktus dieser Arbeit, die in elementarer Form
das von Jesus gelehrte Gebet ins Holz schreibt. Mit wehenden Haaren und Gewändern, verklärt-begeisterten Blicken, erhobenen Händen und geöffneten Mündern wenden sich die drei das Blatt bestimmenden Gestalten an Gott. Sie schweben, umkreisen eine als helles Dreieck triadisch stilisierte Mitte. Es ist eine Ausnahmesituation: ein Ereignis, mit dem Pechstein zu Beginn der 1920er-Jahre sein Publikum konfrontierte. Welche Worte die Figuren wählen, bleibt offen – sie bringen aber voller Emphase zum Ausdruck, dass sie von einem Gegenüber ausgehen, das ihre Realität bestimmt und sie im Vollzug des Anrufs am Heiligen teilhaben lässt.
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