Und plötzlich stürmten drei Polizisten
BANKÜBERFALL
So 25 Jahre lang war ich Mitglied des Landesposaunenrates (LPR) der Ev.-Luth.
Kirche in Thüringen. Der LPR lenkt die Geschicke des Landesposaunenwerkes
und der Posaunenchöre unserer Landeskirche. Er setzt sich zusammen aus ge-
wählten Pfarrern (Bezirksposaunenobmännern) und Kantoren (Bezirksposaunen-
warten). Dazu kommen der Landesposaunenwart (LPW) und ein bis zwei weitere
Posaunenwarte, die hauptamtlich tätig sind. Die Leitung des LPR hat der Landes-
Posaunen-Obmann. In meiner Zeit war das Superintendent Dr. Gerhard Victor aus
Meiningen. Der LPR hält die Verbindung zu anderen Landesposaunenwerken und
deren -Räten innerhalb des Bundes der Ev. Kirchen der DDR und ganz Deutschlands,
gibt Noten heraus, hilft bei der Beschaffung von Instrumenten, bietet Fortbildungen
an, bereitet die Landesposaunentage vor und führt sie durch, ebenso regionale Tref-
fen und die sogenannten Posaunen-Missions-Fahrten (PMF).
Diese wurden in Rundschreiben bekannt gemacht. Wer sich anmeldete, war etwa eine
Woche lang mit 15-20 Bläserinnen und Bläsern in einer der Superintendenturen unse-
rer Landeskirche unterwegs. Die Gemeinden stellten Quartier und Verpflegung. An den
Vormittagen wurde geprobt, nachmittags gab es Freizeitprogramm und Ständchen, an
den Abenden Bläser-Gottesdienste und Geistlich Abend-Musiken. "Konzerte" hatten
die Behörden der DDR nicht gern. Das sei nicht Sache der Kirchen. Und so sorgten sie
unwissentlich dafür, dass auf den Fahrten die Predigt des Evangeliums, Gemeindegesang
und Gebet nicht zu kurz kamen.
Damals, im Sommer 1979, führte uns die Fahrt in die Superintendentur Dermbach, in die
schöne Rhön also, wo der spätere Landebischof Roland Hoffmann lange Superintendent
war. Kollekten und Spenden flossen in den Haushalt des LPWs und bildeten da einen festen
Einnahme-Posten. Kollekte heißt aber auch, dass eine ganze Menge Münzen anfallen, die
regelmäßig mit den Scheinen eingezahlt wurden, damit sie uns nicht beschwerten. Der
damalige Posaunenwart Manfred Röse aus Jena fuhr also mit zwei Bläsern im Trabant zur
Sparkasse Dermbach, um sich dieses Geldes zu entledigen. Sie sahen vielleicht etwas verwe-
gen aus mit ihren dunklen Sonnenbrillen und den Trompetenkoffern der Firmen Getzen und
Yamaha von jenseits der Grenze. Und als sie eine Weile gezählt und gerollt hatten, merkten
sie, dass ihre Zeit bis zur Probe nicht ausreichen würde. So packten sie ihren ganzen Kram
wieder ein, um nach der Probe das Geschäft zu beenden, was dann auch so geschah. Aber die
Damen von der Sparkasse ließen sich Zeit mit den Nachzählen der Einzahlungssumme. Sie
tuschelten und telefonierten, telefonierten und tuschelten. Und plötzlich stürmten drei
Polizisten mit gezogenen Waffen in den Schalterraum und erklärten den überraschten Blä-
sern, dass sie verhaftet seien...! Der Vorgang klärte sich, nachdem die Personalien überprüft
waren und festgestellt wurde, dass in den Koffern tatsächlich nur Instrumente lagen. Wenige
Tage zuvor war in der Gegend ein Banküberfall gewesen, bei dem die Bankräuber ihre Waffen
aus ganz ähnliche Koffern heraus geholt hatten. Deshalb war die nächste Polizei-Dienststelle
informiert worden.
Nachträglich haben wir sehr darüber gelacht, und ich habe bei meiner abendlichen Predigt
dieses Ereignis als Einstieg verwendet. Doch im ersten Moment war den Bläsern ganz und gar
nicht nach Lachen zumute!!!
(Bei der Erinnerung dieser Geschichte hat mir Manfred Röse entscheidend geholfen!)
Autor:Martin Steiger |
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