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Festwoche vom 08.-15.10.1989 in Oldisleben
Der Trauerflor

Im Jahre 1989 hatte das Benediktiner-Kloster Oldisleben und damit der Flecken gleichen Namens sein
Gründungsjubiläum von 900 Jahren. 1089 war es also gegründet worden. Die Ev.-Luth. Kirchgemeinde feierte aus diesem Grunde eine Festwoche, um das Ereignis gebührend zu begehen.
Am 07. 0ktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, einem Samstag, hatten wir, einen Tag vor Beginn der Festwoche einen Arbeitseinsatz angesetzt, an dem sich vier Frauen und 10 Männer beteiligten.  Die Woche selbst begann mit einem Fest-Gottesdienst, an dem Oberkirchenrat Schröter aus Gotha eine beeindruckende
Predigt hielt, und die ihren besonderen Höhepunkt mit einem Konzert des Thomanerchores unter Professor Rotzsch am 13. Oktober hatte. Um der Festwoche auch optisch einen besonderen Impuls zu geben, hatten wir
am Turm eine Kirchenfahne aufgehängt: violettes Kreuz auf weißen Grund, die sich allerdings durch den Wind immer wieder verhedderte.

Am Abend des 7. Oktobers gegen 21.30 Uhr erhielt ich von meinem Superintendenten Dieter Bornschein einen Anruf mit der Anfrage, ob es stimme, dass am Turm der Kirche eine Fahne mit schwarzem Trauerflor hinge? Diese Mitteilung sei vom Bürgermeister R. an den Rat des Kreises Artern ergangen, und der Kreisratsvorsitzende, ein Herr T. , wollte nun wissen, ob das stimme? Wenn ja, wäre das zum Nationalfeiertag eine grobe Provokation! Ich konnte den Sup beruhigen. Dem war nicht so. Wenige Minuten später meldete sich der bewusste Herr T. , entschuldigte sich bei mir und wollte ein gemeinsames Gespräch mit dem Ortsbürgermeister und mir ansetzen, um die Sache zu klären. Ich lehnte für die Festwoche ab. Am Dienstag,
nachdem ich meine Kollekte bei der Sparkasse eingezahlt hatte, die sich damals im Rathaus befand, begegnet mir Bürgermeister R., ich gehe auf ihn zu und sage ihm, dass ich sauer bin. Er bittet mich in sein Büro. Das Ganze läge am Rat des Kreises.  Der habe von einem Bürger aus dem Ort die Mitteilung vom Trauerflor erhalten, und so sei die Sache ins Laufen gekommen. Daraufhin habe er vom Ratsvorsitzenden die Anfrage erhalten, ob das stimme? Und er habe geantwortet, den Trauerflor könne er weder bestätigen noch dementieren, weil es inzwischen dunkel geworden sei. Er habe geraten, den neuen Tag abzuwarten. Er traue es dem Pfarrer  nicht zu. Der sei zu klug  dafür.

Am 16.10., dem Tag nach der Festwoche, bekomme ich vom Rat der Stadt Bad Frankenhausen einen Brief, Seehaussen betreffend, meine Vakanz:  "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch einen sich lösenden Mauersims am Pfarrhaus, "die Sie ab sofort abzustellen haben." Ich ärgere mit sehr. Vermutlich 
gefährdet der Dachkasten die öffentliche Sicherheit seit 10 Jahren, aber jetzt haben sie einen Dummen, mich, den Vakanz-Verwalter.  Ich schreibe noch am selben Tag zurück. Ich protestiere gegen den Ton (Aber wenn man in unserem Lande mit Gummiknüppeln gegen protestierende Bürger vorgehe, können man natürlich auch keinen menschenfreundlichen Stil erwarten!), verweise darauf, dass ich am 7. Mai beim Rat der Stadt wegen
Seehausen gewesen, aber nach über 20-minütigen Wartezeit wieder gegangen bin; formuliere meine Erwartung von Hilfe, da nach 40-jähriger Misswirtschaft in Sachen Handwerk und Kleinbetrieben kaum noch ein Mensch für die Bevölkerung da sei und schließe mit dem Satz: "Sie können dieses Schreiben ruhig weiter reichen. Die Zeiten, in denen wir uns einschüchtern ließen, sind vorbei!"
Am Mittwoch darauf nun das Gespräch mit T. beim Bürgermeister. Entschuldigung in Sachen "Trauerflor",
allgemeine politische Lage (Egon Krenz neuer Generalsekretär der SED.) Ich äußere meine Befriedigung darüber, dass er ohne Zettel reden könne, meine Sympathien aber nicht habe wegen Wahlbetrugs und seiner
Unterstützung der chinesischen Machthaber, die Proteste von Studenten auf dem Platz des himmlischen Friedens brutal niedergeschlagen hatten. Ganz zufällig (?) kommt der Bürgermeister von Bad Frankenhausen dazu, Rudi K., genannt "Fassaden-Rudi". Ich ergreife die Initiative und lege ihm mein Schreiben Seehausen betreffend vor. Er verwahrt sich gegen meinen Ton, Was die Politik betreffe habe er mit mir nicht zu reden. 
Doch wolle er mir helfen und wieder anrufen. Dann geht er. Das war also abgesprochen! Wir reden noch über den Pfarrhaus-Unterhalt Oldisleben und dann verabschieden wir uns. 
Am Abend bekomme ich Besuch von der Stasi, einem OibE (Offizier im besonderen Einsatz), der in Oldisleben wohnt. Es läge etwas gegen mich vor. Er wolle informiert sein. Ich erzähle ihm offen, was vorgefallen ist. Aber beunruhigt bin ich doch. Am Abend in der "Aktuellen Kamera", dem Nachrichten-Sender der DDR, Bericht über das Gespräch von Egon Krenz, dem neuen Generalsekretär der SED, und Werner Leich, dem Landesbischof der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Konferenz der Kirchenleitungen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR.

Das war alles kurz vor der Friedlichen Revolution. Am 9. November 1989 ist der rote Spuk vorbei. Gott sei Dank! Er hat lange genug gedauert!

08.10. - Fest-Gottesdienst mit OKR Schröter, Gotha.
10.10. - Lichtbilder Ortschronist Lehrer Odebrecht.
12.10. - KR Dr. v. Hintzenstern über die Geschichte des Klosters.
13.10. - Konzert des Thomanerchores mit Prof. Rotzsch
15.10. - Fest-GD mit den Brüdern aus Werningshausen und R. Rottler, Orgel.

Autor:

Martin Steiger

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