Die Bibel als Theaterstück
Das Theaterstück »Die Bibel« des schwedischen Autors Niklas Rådström (Übersetzung: Steffen Mensching) feiert am 28. Januar im Rudolstädter Theater als deutsche Erstaufführung Premiere.
Von Doris Weilandt
In 41 Szenen werden Geschichten des Alten und Neuen Testaments erzählt – als eine Art Revue durch uralte Mythen über die menschliche Existenz. »Als ich das Stück las«, sagt Gastregisseur Alejandro Quintana, »war ich angenehm überrascht, wie gegenwärtig es ist. Das Buch der Bücher spricht zu uns Heutigen ganz aktuell.« Dramaturg Michael Kliefert ergänzt: »Die Bibel wird als Literatur entdeckt. Alle wesentlichen Stationen sind auf die Wahrheit des Lebens konzentriert.« Dabei geht es um Sünde und Streit, um Mord und Totschlag, um Hunger und Krieg, Rache, Verfolgung, Flucht und Exil. Eine Tat zieht die nächste nach sich, bis einer kommt, der anders ist, der Liebe einfordert, auch Liebe unter Feinden: Christus. An seiner Person zeigen sich die Schwierigkeiten, andere Denkmuster zu begreifen und anzunehmen.
Da steht Abraham, der Stammvater Israels, in einen Fellmantel gehüllt. Er windet sich unter den bohrenden Fragen dreier Engel, die ihn umkreisen. Auf Geheiß von Gott hätte er seinen Sohn Isaak getötet. Warum wollte er einen Menschen umbringen, den er liebt? Was hat ihn angetrieben? Es geht um die eigene Verantwortung für begangene Taten, um ein Schuldeingeständnis, das nicht auf eine höhere Macht übertragen werden kann. Für die Verwandten in Sodom feilscht Abraham um Schonung vor der totalen Vernichtung. Vergebens. Es finden sich keine zehn Gerechten. Lot und seine Töchter können mithilfe der Engel der Feuersbrunst entkommen. Nur seine Frau, die sich umdreht, erstarrt eindrucksvoll zu einer Salzsäule. Eine Geschichte von Flucht und Vertreibung, aber auch von Rache und Vergeltung: Als Moses sein Volk durch das sich nach rechts und links teilende Meer führt, folgen ihnen die Häscher aus Ägypten. In der Morgendämmerung schließt er den Graben wieder. Tausende Krieger und Pferde ertrinken.
Am Anfang war Harmonie. Gottes Helfer inszenieren einen großen Raum, der alle in Erstaunen versetzt. Wunderbar wird diese Welt erschaffen, in der alle friedlich beieinander leben. Immer wieder springt die Handlung von der menschheitsgeschichtlichen Dimension auf die reale Bühne: lebendige Tiere sind nicht gestattet und nach der Erschaffung des ersten Menschenpaares beginnt bereits die Gender-Debatte. Adam (Johannes Geißer) und Eva (Anne Kies) gehören neben einer hierarchisch operierenden Engelgruppe zu den Konstanten im Stück. Nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies lebt das Paar ständig auf der Flucht: als Illegale in Noahs Arche, als Durchreisende in Grenzgebieten, die Geld an Schleuser zahlen müssen, um weiterzukommen und am Leben zu bleiben. Schauspieler Markus Seidensticker verwandelt sich im Verlauf der episodenhaften Handlung vom ersten Engel, der teilweise in der Ich-Form Gottes Willen verkündet, zum Erzähler: »Ich bin ein Werkzeug Gottes. Am Anfang bin ich eins mit ihm, doch im Verlauf des Stücks kommen Zweifel auf.«
Das Stück öffnet Türen, jeder wird zum Nachdenken herausgefordert. Befreiung, Bindungen untereinander, aber vor allem Liebe in einem umfassenden Sinn sind die zentralen Themen, die Alternativen zu den Reaktionsmustern, die die Menschheit auch heute noch in Angst und Schrecken versetzen. Den gewaltigen Stoff, der in der Originalfassung über fünf Stunden lang ist, haben die Rudolstädter auf über drei Stunden gekürzt (mit Pause). Der Minimalismus, den Regisseur Alejandro Quintana ohne Showeffekte oder bloße Bebilderung mit gutem Schauspiel und in chorischen Szenen anstrebt, lässt viel Platz für eigenes Denken. »Das Schöne wäre, wenn wir auch Menschen erreichen, die die Bibel nicht kennen«, antwortet Michael Kliefert auf die Frage nach dem erwarteten Publikum. Zur Premiere am 28. Januar hat sich auch Autor Niklas Rådström angesagt. Dann erwartet die Zuschauer nicht nur ein spannendes Stück, sondern auch ein neu gestaltetes Theater im Stadthaus.
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