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Kalenderblatt: Vor 50 Jahren starb Martin Giersch
Ein couragierter Jugendpfarrer

Juli 1959: Johannes Rau (l.) und der Weimarer Pfarrer Martin Giersch | Foto: Gitta Penning
  • Juli 1959: Johannes Rau (l.) und der Weimarer Pfarrer Martin Giersch
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Er lebt in den Herzen und Gedanken jener, die ihn kannten und schätzten. Auch ein halbes Jahrhundert nach seinem frühen Tod ist sein Wirken bei vielen Menschen lebendig. In den durch äußere Not und ideologische Enge bedrückenden 50er Jahren wirkte der couragierte Pfarrer Martin Giersch bis zu seiner Verhaftung am 25. Juni 1957 in der Stadt Weimar.

Am 1. Juni 1909 in Berlin als Sohn Herrnhuter Missionare geboren, besuchte Giersch Schulen in Nordböhmen, in der Provinz Posen, in der Oberlausitz und in Schulpforta bei Naumburg. Im Studium widmete er sich vorrangig der Biologie, aber auch der Germanistik und der Theologie. Nach kurzem Schuldienst folgte 1939 die Einberufung in den Krieg. Erst 1944 und schwer verwundet entkam er dem Inferno. 1945 trat er in den Dienst der Thüringer evangelischen Kirche: In Milbitz in Südthüringen half er als Pfarrassistent, dann als Vikar. Nach der Ordination übernahm er 1951 das Pfarramt des Weimarer Cranachsprengels. Aber er wirkte seitdem viel breiter: Seine Liebe galt der Jugendarbeit mit Schülern und Studenten, er wurde zum hochgeschätzten Jugend- und Studentenpfarrer. Doch damit geriet er in Widerspruch zum Herrschaftsanspruch der SED-Führung. Im Jugenddienstverlag von Johannes Rau in Wuppertal erschienen mehrere seiner Arbeiten zu weltanschaulichen Konflikten zwischen marxistischer und christlicher Lehre. Aufgeschlossen diskutierte er mit den Heranwachsenden über Entwicklung und Schöpfung. Das Verhältnis von Naturwissenschaft und christlichem Glauben trieb ihn um. Sogar im Thüringer Christlichen Hauskalender 1954 erläuterte er dazu ganz schlicht seine Erkenntnisse.
Ein halbes Jahr lang quälte ihn die Staatssicherheit in Erfurt mit endlosen Verhören im Scheinwerferlicht. Minutiös notierte man die Termine. Erst Mitte Januar 1958 verurteilte ihn das Bezirksgericht in Erfurt zu 14 Monaten Zuchthaus wegen „Boykotthetze“. Grundlage dazu war der berüchtigte Art. 6, Abs. II, der Verfassung der DDR aus dem Jahr 1949. Sogar einen Antrag des Bezirksstaatsanwalts auf Haftaussetzung lehnten die Herren Richter ab. Nun folgte die Zeit in Gräfentonna und dann aufgrund seiner Herz- und Augenleiden im Haftkrankenhaus Eisenach. Kein einziger Tag wurde ihm erlassen.

Der Schreiber dieser Zeilen ist noch immer bewegt vom ersten Wiedersehen im Sonnabendkreis in der Türmerwohnung der Jakobskirche. Ohne Hass oder Arroganz erzählte Giersch von den Erlebnissen. Schließlich hatte er Menschen aus ganz anderem Umfeld kennen und auch achten gelernt. Manch kriminell Gewordener hatte über den ungewöhnlichen Gast gestaunt.

Martin Giersch blieb im Osten – er suchte kein besseres Leben in der westlichen Welt. Inzwischen hatten Rainer Berlich und Klaus Böhme die Leitung des Sonnabendkreises übernommen, doch Giersch blieb uns lebenslang verbunden. Aus Blankenhain kam er mit der Bahn zu unseren Abenden. Doch 1969 ging sein Leben zu Ende.
30 Jahre danach lud Rainer Berlich am 4. Juli 1999 zur großen Gedenkveranstaltung in die Kreuzkirche ein. Ehrengast war Johannes Rau. Erst seit kurzem war er als Bundespräsident im neuen Amt, doch er kam und würdigte den Freund. Seinen einstigen Gesprächspartner Giersch schätzte er über alles wegen seiner Kompetenz auf den Fachgebieten Theologie und Biologie. Diese Kombination sei damals ganz selten gewesen, dazu hätte es viel Sprachlosigkeit gegeben.

Der Sonnabendkreis der einstigen Schülerarbeit trifft sich noch immer alljährlich zweimal in Erinnerung an seinen Lehrer. Diesmal waren wir im Mai bei Oswald und Erika Malarski im Scheunenmuseum in Leutenthal zu Gast. Erika, die jüngste der fünf Giersch-Kinder, war mit ihrem Mann eine sehr herzliche Gastgeberin.

Rudolf Wendt

Autor:

Online-Redaktion

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