Werke von einzigartiger Schönheit
Orgelbau: Vor 400 Jahren starb Esaias Compenius. Er gilt als einer der bedeutendsten mitteldeutschen Orgelbauer
Von Gerhard Aumüller
Seine überragende Begabung, die Liebe zum ästhetischen Detail, handwerkliche Perfektion, grandiose Intonationskunst und die klangliche Raffinesse der Instrumente von Esaias Compenius suchen ihresgleichen. Die Zusammenarbeit mit dem Musiker Michael Praetorius und dem kunstsinnigen Halberstädter Bischof und Herzog Heinrich Julius hat Werke von einzigartiger Schönheit hervorgebracht. Esaias Compenius war einer der genialsten Orgelbauer seiner Zeit.
Geboren im Dezember 1566 in Eisleben als Sohn des Organisten und Orgelbauers Heinrich Compenius und dessen Ehefrau Barbara, geb. Goertteler, erlernte Esaias Compenius wie seine Brüder Timotheus, Heinrich und Jacob den Orgelbau bei seinem Vater. Nach der Schulzeit in Eisleben, Erfurt und Nordhausen arbeitete Esaias 1589 mit dem Vater an einer Orgel für die Jacobi-Kirche in Hettstedt. Es kam zum Streit und beide trennten sich.
Wahrscheinlich hat er zwischen 1590 und 1598 unter anderem im Weserbergland um Bückeburg gearbeitet und um 1595 auch beim Bau der großen Orgel mitgearbeitet, die David Beck für Herzog Heinrich Julius von Braunschweig in der Schlosskirche von Gröningen errichtete. Ihr wundervoller Prospekt ist in der Martinikirche in Halberstadt erhalten – wo ein Projekt zur Rekonstruktion einer der schönsten Orgeln weltweit in Arbeit ist.
1598 arbeitete Esaias in der Werkstatt seines Bruders Heinrich in Halle. Danach ließ er sich in Magdeburg nieder und übernahm eine Reihe von Aufträgen, die er nicht alle bewältigen konnte. So in Sudenburg, wo die Arbeiten von seinem Bruder Heinrich zu Ende geführt wurden. 1603 hatte Esaias die Pflege der großen Schlossorgel in Gröningen übernommen. Für das Halberstädter Domkapitel arbeitete er auch als Instrumentenmacher. Damals erhielt der den Auftrag zum Bau einer Orgel für Kroppenstedt, der sich bis zum Jahr 1613 hinziehen sollte und sowohl dem Auftraggeber wie dem Orgelbauer großen Ärger bereitete. Denn 1605 beauftragte ihn Herzog Heinrich Julius mit dem Bau einer zweimanualigen Kabinettorgel mit Pedal für seine Gemahlin Elisabeth, Schwester des dänischen Königs Christian IV., für deren Sommerresidenz in Schloss Hessen. Dieses mit dem Wolfenbütteler Hofkapellmeister Michael Praetorius und dem Herzog konzipierte grandiose Instrument hatte absolute Priorität. 1612 übernahm Compenius unter der Mitwirkung von Michael Praetorius den Bau einer dreimanualig disponierten Orgel für die neue Stadtkirche in Bückeburg. Mit seinem Sohn Adolph baute er bis 1615 an diesem Werk, das von Adolph noch erweitert wurde.
Esaias hatte inzwischen mit dem Domkapitel in Hildesheim ein neues Projekt abgesprochen, ebenso den Bau einer kleinen Orgel für eine Klosterkirche südlich von Hildesheim, als er von Elisabeth, der Witwe des Herzogs Heinrich Julius, den Auftrag erhielt, das »Höltzern Orgelwerck« als Geschenk für König Christian IV. nach Dänemark zu versetzen. Daher musste er seine Projekte zurückstellen und gab sie an seine Brüder weiter.
Compenius, der nach dem Tode seiner ersten Frau in Kroppenstedt erneut geheiratet und sich in Braunschweig niedergelassen hatte, zog im Frühjahr 1617 mit seiner kostbaren Fracht nach Schloss Frederiksborg bei Hilleröd. Dort baute er das herrliche Instrument wieder auf. Es ist dort trotz mehrerer dramatischer Vorkommnisse nach einer durchgreifenden Restaurierung erhalten. Schon das Äußere vermittelt durch die von einer Fama-Figur gehaltenen dänischen und braunschweigischen Wappen fürstlichen Pomp. Die Hinweise auf Venus und Merkur mit musizierenden Putten beschwören die Aura antiker Liebeslyrik. Die »Compenius-Orgel« umgibt ein Schleier des Geheimnisvollen vollendeter Schönheit, allein schon durch die harmonischen Proportionen der drei Prospektarkaden mit dem Dekor der Frontpfeifen aus Elfenbein und Ebenholz.
Mit diesem Juwel des historischen Orgelbaus verliert sich die Spur des Erbauers im Frühjahr 1617. Wann und wo Esaias Compenius gestorben ist, bleibt ein Geheimnis. Von seinem Selbstverständnis als Künstler zeugt ein Satz aus seiner Korrespondenz mit dem Kroppenstedter Rat, mit dem er auf Vorwürfe reagierte, er wolle die Kroppenstedter »an der Nase herumführen«: »Wann mir dann solche große verachtung vnd verkleinerung, meiner Kunst vnd ehrlichen nahmens, nicht alleine schmertzlichen wehe thut.«
Der Autor ist Mediziner und hat zum Orgelbau geforscht. Er ist im Beirat der Internatio-
nalen Heinrich-Schütz-Gesellschaft. Einen Vortrag zum Thema hält er am 30. September, 15 Uhr, in der Kirche zu Kroppenstedt.
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