Der VEB Kraftverkehr und die Ölkrise
Tour nach Orlamünde
Nach der Teilung Deutschlands wurden 1949 auf dem Gebiet der DDR die alten Länder aufgelöst und in Bezirken neu geordnet. Das Land Thüringen in drei Bezirke: Erfurt, Gera und Suhl. Orlamünde gehörte zum Bezirk Gera. Wo die Orla in die Saale mündet, da hatten einst die Grafen von Orlamünde ihren Stammsitz. Davon zeugt noch heute in sechs Stockwerken der breit gelagerte Würfel einer Kemenate aus dem 11. Jahr-hundert. Darüber hinaus sind die evangelische Stadtkirche und das spätgotische Rathaus sehenswert.
Da wollten wir hin, quer durch den Wald. Wir, d.h. meine Frau Elke Christine und ich, beide 42 Jahre alt; unsere
älteste Tochter Susanne, 16 Jahre und Schülerin einer EOS (einer Erweiterten Oberschule), und Christiane, die
2,5 Jahre alt war mit ihrem Kinderrad. Meine Frau war "guter Hoffnung" mit Beate, unserem vierten Kind. Sohn Lorenz, 11 Jahre, hatte keine Lust. Das war im August 1982.
Von Blankenhain fuhren wir mit unserem Trabant nach Neckeroda. Den ließen wir dort stehen und wanderten gut gelaunt die Hohe Straße entlang Richtung Orlamünde. Anfangs ging das tadellos. Der Wald spendete Schatten, die Vögel sagen, wir legten immer mal eine Pause ein, um etwas zu uns zu nehmen. Aber dann zog sich der Weg hin. Die Sonne stieg, und es wurde warm. Wir hatten die Strecke unterschätzt. Gut, dass wir das Rädchen dabei hatten, sonst hätte ich Christiane tragen müssen. Wir kamen gegen Mittag ziemlich erschöpft an unser Ziel. Die einzige Gaststätte hatte Ruhetag. Eine Eisdiele gab es nicht. Im Konsum bekamen wir gerade noch etwas zu trinken, bevor er zur Mittagspause schloss. Wir schleppten uns durch die Stadt Richtung Bahnhof, um mit dem Zug nach Rudolstadt zu fahren. Der kam dann auch, und wir kamen wieder zu Kräften. Von Rudolstadt aus wollten wir mit der Taxe nach Neckerode fahren. Inzwischen war es Nachmittag geworden.
Vor dem Bahnhof standen einige Taxen. Jedoch als der nächste Fahrer unser Anliegen hörte, erklärte er, dass er uns nicht fahren könne, weil Neckeroda im Kreis Weimar liege, also außerhalb des Kreises Rudolstadt, und wegen der Ölkrise dürften sie den Kreis nicht verlassen. Wow! Was nun? Eine schwangere Frau, ein genervter Ehemann, eine tapfere Jugendliche und ein weinerliches Kleinkind. Zu Fuß von Rudolstadt Bahnhof über Teichel, die kleinste Stadt der DDR, nach Neckeroda? Niemals!!! Der Mann hatte Mitleid mit uns und sagte: "Versuchen sie es doch mal da drüben bei dem Privaten. Vielleicht fährt der sie ja!? Und tatsächlich, der Mann fuhr uns zu unserem Trabi zurück. Ob für ihn die Einschränkung nicht galt, oder er sich einfach darüber hinwegsetzte, weiß ich nicht. Jedenfalls kamen wir glücklich wieder zu Hause an. Kilometereinschränkungen für ein Taxi des VEB Kraftverkehrs wegen der Ölkrise? Hat ein Bundesbürger schon einmal von sowas gehört?
Wir schon! Aber wir hatten es fast vergessen. Danke, dass wir gut zu Hause angekommen sind! Und danke, dass solches alles vorbei ist!
Autor:Martin Steiger |
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