Pflegereform
Warum Heimplätze teurer werden

Foto:  epd-bild/Tim Wegner

Trotz Reformen steigen die Kosten für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen weiter stark an. Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert ein Gegensteuern.

Berlin (epd). Zwei Jahre nach einer Reform der Heimkosten haben die Eigenanteile in Pflegeheimen einen neuen Höchststand erreicht. Laut einer am Freitag in Berlin veröffentlichten Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK kostet Wohnen im Pflegeheim mittlerweile durchschnittlich mehr als 2.400 Euro Eigenanteil pro Monat. Experten rechnen mit weiterhin schnell steigenden Kosten. Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte eine Deckelung der Eigenanteile.

Wie der AOK-Bundesverband mitteilte, betrugen die Gesamtkosten für einen Heimplatz Ende des vergangenen Jahres 4.701 Euro. Davon zahlten die Pflegekassen im Schnitt 1.470 Euro, zusätzlich bekamen Bewohnerinnen und Bewohner durchschnittlich 807 Euro monatlich erstattet.

30 Jahre Pflegeversicherung

Am 1. Januar 1995 wurde die Pflegeversicherung als fünfte Säule der sozialen Sicherung eingeführt, neben Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung. Die Pflegeversicherung deckt aber nur einen Grundbetrag für Pflegeleistungen ab. Alle Kosten, die über diesen Sockel hinausgehen, müssen Pflegebedürftige oder deren Angehörige tragen. Da diese Kosten, insbesondere in Pflegeheimen, sehr hoch sein können, sprechen Sozialverbände heute trotz Pflegeversicherung von Pflegebedürftigkeit als Armutsrisiko.

Rechtliche Grundlage der Pflegeversicherung ist das elfte Sozialgesetzbuch (SBG XI). Wie die anderen Sozialversicherungen wird auch die Pflegeversicherung paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert. Um die Belastungen für die Arbeitgeber auszugleichen, wurde der Buß- und Bettag als bundesweiter Feiertag abgeschafft.

Nach Angaben des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen nahmen ein Jahr nach Einführung der Pflegeversicherung etwa 1,1 Millionen Menschen Pflegeleistungen in Anspruch. Zum Jahresende gab das Statistische Bundesamt die Zahl der Pflegebedürftigen mit 5,7 Millionen an.

Bei Einführung betrug der Beitragssatz zur Pflegeversicherung 1,0 Prozent, seitdem stieg er in mehrmals. Heute beträgt der allgemeine Beitragssatz 3,4 Prozent. Kinderlose zahlen mehr, Eltern pro Kind abgestuft weniger. Zum neuen Jahr steigt der allgemeine Beitragssatz auf 3,6 Prozent.

Wer im Heim lebt, muss nach Auskunft der AOK für die Pflege im Schnitt 950 Euro zuzahlen, zudem 977 Euro für Unterkunft und Verpflegung sowie 497 Euro für Investitionskosten. Der durchschnittliche Eigenanteil stieg demnach um 7 Prozent auf 2.424 Euro, 2023 lag er noch bei 2.266 Euro, die Gesamtkosten für einen Heimplatz betrugen damals 4.297 Euro.

Seit 2022 zahlen die Pflegekassen Zuschüsse, die mit der Wohndauer steigen. Im ersten Jahr des Aufenthalts werden 5 Prozent übernommen, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 und danach 70 Prozent.
Infolge dieser Reform waren die durchschnittlichen Eigenanteile kurzzeitig gesunken, von 2.234 Euro im Jahr 2021 auf 2.055 Euro im Jahr 2022.

Am höchsten war der durchschnittliche Eigenanteil im vergangenen Jahr den Angaben zufolge mit 2.764 Euro in Nordrhein-Westfalen. Am wenigsten mussten Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner in Sachsen-Anhalt zuzahlen, hier betrug der Eigenanteil im Schnitt 1.965 Euro. In Thüringen war der Anstieg der Eigenanteile im Vergleich zu 2023 mit gut 15,7 Prozent am höchsten. Im Saarland sanken die Eigenanteile im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht, nämlich um knapp
2,7 Prozent.

Laut dem stellvertretenden Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, David Scheller-Kreinsen, ist der Trend zu steigenden Eigenanteilen ungebrochen. Laut Analyse des Instituts werden Ende dieses Jahres Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner im günstigsten Fall schon durchschnittlich mehr als 2.500 Euro zuzahlen müssen, im ungünstigsten Fall rund 2.750 Euro. 2029 könnten die monatlichen Eigenanteile demzufolge im Schnitt zwischen gut 3.000 und knapp 4.800 Euro liegen.

Brysch sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), eine Pflegereform müsse «endlich für eine zukunftssichere und generationengerechte Pflegefinanzierung sorgen». Neben der Deckelung der Eigenanteile müssten Hilfsbedürftige einen Versicherungszuschuss parallel zur Kostenentwicklung erhalten. Zudem müssten alle Bürgerinnen und Bürger ihren Beitrag zur Pflegeversicherung leisten. «Aber auch die Bundesländer sind in der Pflicht», sagte Brysch weiter. Sie müssten Ausbildungs- und Investitionskosten übernehmen.

Autor:

Online-Redaktion

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