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Tarifstreit an Weimarer Klinikum
Diakonie verklagt Gewerkschaft Verdi

Das kirchliche Arbeitsrecht, der "Dritte Weg", steht seit Jahren immer wieder in der Kritik, vor allem vonseiten der Gewerkschaften. | Foto: epd-Bild/Norbert Neetz
  • Das kirchliche Arbeitsrecht, der "Dritte Weg", steht seit Jahren immer wieder in der Kritik, vor allem vonseiten der Gewerkschaften.
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Weimar, Halle (mit epd). Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, den die EKM und die Diakonie Mitteldeutschland gehen: Wegen einer Tarifauseinandersetzung am diakonischen Sophien- und Hufeland-Klinikum in Weimar haben sie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vor dem Arbeitsgericht verklagt. Der Grund: Der Verdi-Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hatte die Beschäftigten des Klinikums zu einem Streik am 1. August aufgerufen.

Der Streik ist jetzt erst einmal abgewendet: EKM und Diakonie Mitteldeutschland haben eine einstweilige Verfügung gegen die Gewerkschaft erwirkt. Wie die Diakonie in Halle mitteilte, hat das Arbeitsgericht Erfurt der Gewerkschaft untersagt, zu dem Warnstreik am 1. August aufzurufen, einen solchen zu organisieren oder durchzuführen. Damit würden Störungen in den Betriebsabläufen und mögliche Nachteile für Patienten verhindert, hieß es.

Gewerkschaft: "Dritter Weg" ist undemokratisch

Doch die Klage in der Hauptsache bleibt bestehen. Auf diesem Weg wollen EKM und Diakonie die Gewerkschaft grundsätzlich daran hindern, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer zu Streiks oder anderen Arbeitskampfmaßnahmen am Klinikum aufzurufen oder diese zu organisieren und durchzuführen.

Denn der Arbeitskampf ist im kirchlichen Arbeitsrecht gar nicht vorgesehen. Hier kommt der sogenannte Dritte Weg zur Anwendung, bei dem Tarifverhandlungen stets im Konsens und auf dem Verhandlungsweg entschieden werden.

Die Gewerkschaft hat sich trotz wiederholter Anfragen nicht zu der Sache geäußert. In der "Thüringischen Landeszeitung" sagte ein Verdi-Vertreter, mittlerweile sei mehr als die Hälfte der Angestellten des evangelischen Klinikums in der Gewerkschaft organisiert. Der "Dritte Weg" sei zudem undemokratisch, außerdem gebe es bereits vereinzelt Tarifverträge mit der Diakonie, etwa in Niedersachsen.

Dienstgemeinschaft statt Gegeneinander

Der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Mitteldeutschland, Oberkirchenrat Christoph Stolte, kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Verdi habe die Krankenhausleitung zu Tarifverhandlungen aufgefordert und habe mögliche Streiks angekündigt. Nach dem kirchlichen Arbeitsrecht seien solche Maßnahmen nicht vorgesehen. "Das hängt zusammen mit unserem kirchlich-diakonischen Selbstverständnis", sagt der Diakonie-Chef. Man gehe von einer Dienstgemeinschaft aus, die einen diakonischen Auftrag habe. Jeder trage seinen Teil dazu bei, dass Patienten bestmöglich versorgt seien.

Die Gehälter würden durch "Arbeitsrechtliche Kommissionen" festgelegt, die paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt seien. Diese seien grundsätzlich auf Konsens ausgerichtet. Sollte dies einmal nicht gelingen, gebe es eine verbindliche Schlichtung. Das Sophien- und Hufeland-Klinikum sei zudem verpflichtet, das kirchliche Arbeitsrecht anzuwenden, und habe keine Möglichkeit, einen Haustarif mit den Gewerkschaften zu verhandeln. Weil es um diese Grundsatzfrage gehe, dass eine diakonische Einrichtung nach dem kirchlichen Arbeitsrecht nicht bestreikt werden dürfte, habe man eine Unterlassungsklage eingereicht.

Diakonie: Haben sehr gute Arbeitsbedingungen

Laut Stolte handelt es sich in dieser Form um die erste derartige Auseinandersetzung. Offenbar wolle Verdi hier ein Exempel statuieren. Die Gewerkschaft kritisiere schon seit Jahren die Sonderregelung für die Kirchen, die sich aus dem Grundgesetz ergebe. Zudem gebe es in der Diakonie laut Stolte sehr gute Arbeitsbedingungen. In diesem Jahr werden 4,9 Prozent mehr Gehalt gezahlt, im kommenden Jahr 5,4 Prozent. Zugleich sei die Wochenarbeitszeit zum 1. Januar von 40 auf 39 Stunden reduziert worden.

Dies bestätigt auch Björn Starke, Geschäftsführer des Erfurter Christophoruswerks und Vorsitzender des Diakonischen Dienstgeberverbandes in Mitteldeutschland. "Aus meiner Sicht ist das zumindest in Mitteldeutschland ein einmaliger Vorgang, dass versucht wird, direkt zu Tarifvertragsverhandlungen aufzufordern", sagte Starke. Aus seiner Sicht ist das ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht.

Auseinandersetzung hat "neue Qualität"

Es habe immer mal wieder vereinzelte Anläufe seitens der Gewerkschaften gegeben, das kirchliche Arbeitsrecht zu unterlaufen. Ob diese Sonderregelung Bestand haben könnte, sei durch das Bundesarbeitsgericht bereits geklärt. "Es gibt hier klare Spielregeln", betont Stolte.

Dass die Beziehungen zu den Gewerkschaften in den letzten Jahren schwieriger geworden seien, könne er nicht beobachten. "Dass das so eskaliert, das ist jetzt tatsächlich eine andere Qualität", betont der Chef der diakonischen Dienstgeber. Auch dass die Kirchen heute weniger gesellschaftliche Bindungskraft hätten, sei kein Argument gegen deren Arbeitsrecht. "Ich kenne keinen Weg, der so viele direkte Mitwirkungsmöglichkeiten für Beteiligte bietet wie der Dritte Weg", unterstreicht Starke.

Klage von Landeskirche und Diakonie erfolgreich
Autor:

Oliver Gierens

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