10 000 Besucher werden in Rostock erwartet

Auch im Osten gibt es Christen

Noch rund 100 Tage, dann werden in der Rostocker Hansemessehalle Kerzen leuchten und meditative Klänge erklingen. Bis zu 10 000 Jugendliche reisen über Silvester zum Europäischen Taizé-Jugendtreffen an die Ostsee. Sie wollen in der Hansestadt gemeinsam beten und singen.

Von Nicola Trenz

Drei Monate vorher sind die Dimensionen noch deutlich kleiner: In Bad Doberan, einem Nachbarort von Rostock, beten und singen an einem Donnerstagabend gerade einmal rund 20 Personen gemeinsam in der Tradition von Taizé – einem Ort in Frankreich, in der die internationale ökumenische Gemeinschaft lebt. Alljährlich pilgern Zehntausende Jugendliche aus aller Welt dorthin, um einige Zeit mit den rund 100 Mönchen unter einfachen Bedingungen zu leben und zu beten.

Das Treffen löse vorab in Gemeinden und Ortschaften Zuversicht aus, sagt Pfarrer Albrecht Jax aus Bad Doberan, einer der Hauptverantwortlichen für das Silvestertreffen. In der strukturschwachen Gegend, wo sonst aus Blick vieler Menschen eher Kirchtürme verfallen als dass etwas Neues entsteht, sei es ein positiver Akzent. "Das Taizé-Treffen kann eine Chance sein, hier bei uns zu zeigen, dass Kirche mehr ist als Missbrauch und solche Geschichten", hofft er.

Rostock ist mit knapp 210 000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt Mecklenburg-Vorpommerns. 17,6 Prozent der Bevölkerung sind Christen. "Ich erlebe keine latente Kirchenfeindlichkeit, aber es gibt schon eine große Zurückhaltung", erzählt der Pastor. Die Diasporaregion ist eine ungewöhnliche Wahl für das alljährlich stattfindende Treffen.

Dennoch ist er optimistisch, Privatquartiere für die jungen Gäste zu finden. Er setzt auf die Menschen aus dem nicht-kirchlichen Bereich: "Ich glaube, es gibt viele, die es gut finden, dass junge Menschen in Europa sich – gerade in diesen Zeiten – begegnen, und die sich deshalb auch vorstellen können, Jugendliche bei sich unterzubringen", meint Jax.

Auch Theologiestudentin Franka Bertarelli engagiert sich bei der Vorbereitung des Treffens. "Wir freuen uns, den Gästen unsere Stadt zu zeigen." Lachend fügt sie hinzu: "Und zu zeigen, dass es im Osten auch Christen gibt."

Noch ist unklar, welche Rolle Corona spielt und inwieweit die politische Situation in Europa und steigende Preise dazu führen könnten, dass sich weniger junge Menschen anmelden. "Ukrainisch war in den vergangenen Jahren eine der stärksten Sprachgruppen bei den Treffen", sagt Jax. "Es ist völlig offen, wie das in diesem Jahr sein wird."

Seine Begeisterung für Taizé hat dazu geführt, dass die Hansestadt zur Gastgeberin wurde. Nachdem er 2011 am Silvestertreffen in Berlin mit 28 000 Teilnehmender dabei gewesen war, reifte in ihm die Idee, und er brachte Rostock bei den Brüdern der Gemeinschaft ins Spiel.

Zuletzt war er Ende August mit einer Vorbereitungsgruppe dort. Mit kleinen Fläschchen, die mit Ostseesand gefüllt waren, luden sie junge Pilger dort in ihre Heimat ein. Besonders freut sich Jax auf das erste Abendgebet des Treffens in der Hansemesse. "Das wird ein Gänsehautmoment."

 (kna)