Freitag, vor eins ...
Unsere Seite 1 - Der junge Mann und das Meer
80 Tage Selbstisolation bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 17 Knoten - auch so kann man den zweiten Lockdown verbringen. Während die Welt still steht, hat Boris Herrmann sie in einem Teufelsritt umsegelt - um kurz vor dem Ziel zu scheitern. Immerhin, er bleibt der Held seiner Geschichte. Einer, die Hemingway nicht hätte besser erzählen können.
Vergessen Sie den sonntäglichen Tatort, vergessen Sie den Impf-Real-Life-Serienmarathon, in dem wir gerade unfreiwillig Komparsen werden: Der spannendste Krimi, den es in den letzten Wochen zu sehen gab, hat sich auf hoher See abgespielt. Es geht um Geld, Promotion und ja, auch ein bisschen um die Umwelt. In der Hauptrolle ein 39-Jähriger Einhandsegler aus Hamburg. Seine Mission: Eine Weltumrundung. 44.000 Kilometer, ein Mann, ein Boot.
Boris Herrmann, besser bekannt als der Mann, der 2019 Greta Thunberg zum UN-Klimagipfel nach New York schipperte, war im November als erster Deutscher überhaupt angetreten, das Vendée Globe zu segeln. Man muss wissen: Diese Regatta ist keine gediegene Luxuskreuzfahrt mit Seafood-Verkostung - auch, wenn die "Eintrittskarte" zum Wettbewerb, die superleichte aber millionenschwere Hightech-Yacht, das nahelegen könnte. Nein, es ist das härteste Segelrennen der Welt.
Der Herrmann-Krimi hatte einen nahezu epischen Spannungsbogen zu bieten - inklusive mehrerer Cliffhanger. Darunter die nervenaufreibende Rettungsaktion eines Mitstreiters, der in Seenot geraten war, Reparaturen am Segel in 29 Metern Höhe, der Kampf gegen die Einsamkeit im tiefen Süden der Welt und nicht zu vergessen: das tragische Finale. 90 Seemeilen vor dem Ziel kollidierte unser Held mit einem Fischerboot. Unverletzt, aber mit angezogener Handbremse navigiert er seine lädierte "Seaexplorer" in den Hafen des französischen Les Sables-d'Olonne. Zum Zeitpunkt des Unfalls lag er auf Rang drei, hätte aufgrund einer Zeitgutschrift aber auch Chancen auf den Siegerplatz gehabt.
"Das Vendée Globe ist eine menschliche Erfahrung. Und nicht immer eine einfache", wird er in der Pressekonferenz sagen. Als ein Reporter fragt, ob er denn noch einmal antreten wolle, sagt Hermann nichts - zumindest nichts Konkretes. Aber sein Blick verrät ihn. Die eigentlich müden Augen, leuchten plötzlich aufgeweckt unter der dunklen Kappe hervor. Spätestens hier erinnert er an Hemingways Fischer, der geschlagene 85 Tage auf dem Meer verbringt, um den besten Fang zu machen. Spät hat er Glück, noch später Pech. Er kehrt ohne den Riesenfisch nach Hause zurück - und fährt doch am nächsten Morgen wieder zum Angeln hinaus.
Was Herrmann mit dem Fischer verbindet, ist nicht nur die Würde, in der er seine Niederlage trägt. Es ist auch die Demut, mir der er seinem Tun auf dem Meer begegnet. "Mein Stil ist es vorsichtig zu navigieren. Im Zweifel nehme ich ein Reff früher aus dem Segel bei starkem Wind. Ich möchte nichts kaputt machen, ich möchte ankommen", erklärt er den Journalisten nach seinem Zieleinlauf geduldig. Das eben sei der Kern seines Berufs, sagt er, dieses Gleichgewicht zu finden zwischen Gasgeben und Materialschonen. Dabei habe er versucht, nie zu weit nach vorn zu schauen und den Rat seines Freundes und Sponsors Pierre Casiraghi befolgt, der ihm gesagt habe: "Konzentrier dich immer nur auf diesen einen Tag, der vor dir liegt. Mehr nicht." Genau das habe er getan, sagt Herrmann.
Und die Moral von der Geschicht': Von diesem Segler lernen, heißt für das Leben im Lockdown lernen. Die Auswirkungen der Pandemie auf den Gemeindealltag und die Gottesdienste beleuchten wir in der aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung. Gute Lektüre!
Unsere Themen
- Gute Nachrichten: Die Meldepflicht für Gottesdienste ab zehn Besuchern ist in Thüringen wieder aufgehoben.
- Anhalt: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte tagte die Landessynode Anhalts in digitaler Form.
- Schloss Ettersburg: Am 4. Februar jährt sich der Todestag von Hermann Pückler-Muskau zum 150. Mal. Auch in Thüringen hat der große Gartenkünstler gewirkt.
Und außerdem
Neugierig geworden?
Lesen Sie wöchentlich Reportagen und Berichte aus den Kirchenkreisen der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Evangelischen Landeskirche Anhalts, aus Deutschland und der Welt und erfahren Sie mehr über Hintergründe zu gesellschaftlichen Debatten und zu Glauben im Alltag. Die Mitteldeutsche Kirchenzeitung „Glaube+Heimat“ erhalten Sie als E-Paper und als gedruckte Ausgabe im Abonnement.
Autor:Beatrix Heinrichs |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.