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Gewissensentscheidung: Wenn Barmherzigkeit und Nächstenliebe zum Streitfall werden
Kirchenasyl – Schutz oder Rechtsbruch

Pro
Friederike Costa

Wenn sich in einem besonderen humanitären Härtefall Kirchengemeinden für ein Kirchenasyl entscheiden, ist das immer eine Einzelfallentscheidung in einer besonderen Ausnahmesituation.
Kirchenasyl ist letztes Mittel, um eine Person vor Abschiebung zu schützen, wenn im Fall der Abschiebung Gefahr für Leib und Leben, eine schwere Menschenrechtsverletzung oder sonstige unzumutbare humanitäre Härte befürchtet werden muss.
Die Entscheidung pro oder contra Kirchenasyl wird verantwortet von dem leitenden Gremium, dem Gemeindekirchenrat. Zudem ist es eine Gewissensentscheidung. Kirchenasyl ist gerechtfertigt durch das christliche Gebot der Nächstenliebe und geschieht in ethischer Verantwortung für den einzelnen schutzbedürftigen Menschen.
Im Falle eines Kirchenasyls braucht man einen Ort, wo Hilfesuchende, in der Regel abgelehnte Asylbegehrende, zur Ruhe kommen und durch das Kirchenasyl Zeit gefunden wird, Argumente vorzubringen, weshalb die Abschiebung eine unverhältnismäßig große Härte darstellt. Solche Orte können Pfarrhäuser, Gemeindehäuser oder Kirchen sein.
In der Bergpredigt sagt Jesus Christus: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist (Lk 6,36). Wir werden daran erinnert, dass wir einzig aus der Gnade und Barmherzigkeit Gottes leben. Kirchenasyl im besonderen Härtefall auszusprechen ist ein Akt der Barmherzigkeit, dem die Barmherzigkeit Gottes vorausgegangen ist. In seinem Namen übernehmen wir Verantwortung für Schutzbedürftige und treffen in besonders schwerwiegenden Einzelfällen eine Entscheidung für eine akute humanitäre Hilfe.
Pfarrerin Friederike Costa, stellv. Superintendentin im Kirchenkreis Jena

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Kontra
Klaus-M. Kodalle


Das sogenannte Kirchenasyl stammt aus vordemokratischen Zeiten und ist heutzutage ohne rechtliche Grundlage.
Als Christ und Bürger liegt mir die Integrität des Rechtsstaates am Herzen, erst recht in einer Zeit, in der radikale Gruppen – unter Berufung auf ihre höhere Einsicht – immer öfter bereit sind, sich über demokratisch zustande gekommene, rechtlich geregelte Verfahren hinwegzusetzen.
Grundsätzlich gilt: In der individuellen Urteilsbildung und Handlungsnormierung ist das Gewissen die höchste moralische Instanz; im Blick auf das Handeln in der Bürgergesellschaft aber ist das Recht höher zu gewichten als die Moral!
Insofern zeugen die Entscheidungen von kirchlichen Gremien, Kirchenasyl zu gewähren, von moralischer Überheblichkeit. Weder haben die kirchlichen Gremien die Möglichkeit noch haben sie die Fähigkeiten, die Gerichte in der Prüfung von Dokumenten und der Glaubwürdigkeit von Aussagen der Flüchtlinge zu übertreffen.
Dass der Staat in Gestalt des BAMF zu Absprachen mit den Kirchen über eine begrenzte Zeitdauer dieser Asylgewährung bereit ist, ist meines Eerachtens nicht in einer prinzipiellen Anerkennung dieses Instituts begründet, sondern liegt an einer opportunistisch-pragmatisch gebotenen Zurückhaltung des staatlichen Autoritätsanspruches auf Durchsetzung seiner Gewalt.
Die Unterstützung für die Spezialabsprachen zum Kirchenasyl dürfte sich in Politik und Öffentlichkeit sofort ändern, wenn in Hamburg oder Berlin Moscheevereine den Anspruch erheben werden, mit einem Moschee-Asyl die Durchsetzung staatlicher autoritativer Maßnahmen zu unterlaufen.
Klaus-Michael Kodalle, Philosoph und em. Professor an der Universität Jena

Autor:

Online-Redaktion

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