Blickwechsel
Eilt! Wo bleibt die EU-Asyl-Reform?
Die Strukturen und Symbiosen von Flucht und Migration in Europa sind vielschichtig, undurchsichtig und manchmal auch einfach unglaublich.
n Deutschland war es dann in den Tagen nach dem Brand im Camp Moria fast wie auf dem Basar: Wer bietet mehr? Noch in der vergangenen Woche sagte Innenminister Horst Seehofer, dass Deutschland 100 bis 150 unbegleitete Minderjährige aufnehme; zusammen mit neun anderen europäischen Staaten insgesamt 400. Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken hatte daraufhin gefordert, eine vierstellige Anzahl von geflüchteten Menschen nach Deutschland zu holen. Am Montagmorgen sprach sich der bayerische Ministerpräsident Söder dafür aus, den hiesigen Anteil «substanziell aufzustocken». Die Bundesregierung signalisierte dann im Laufe des Tages Bereitschaft zur Aufnahme von mehr Menschen, konkrete Zahlen lagen bis zum Redaktionsschluss nicht vor.
Die Diskussionen drehten sich vorrangig um diese Zahlen. Seehofer schmückte sich mit ihnen und nannte sie „ein konkretes Beispiel praktizierter Nächstenliebe“. Für viele waren sie nicht hoch genug, für andere war schon diese Zahl unerträglich hoch. Keiner solle nach der mutmaßlichen Brandstiftung nach Deutschland kommen, es würde Tor und Tür für weitere solcher Aktionen öffnen. Die Äußerungen zum weiteren Vorgehen auf Lesbos waren und sind nicht selten undifferenziert und pauschal. So sind etwa die Menschen, die nach Deutschland gebracht werden sollen, keineswegs anerkannte Flüchtlinge, wie so oft dargestellt. Sie würden hier ein Asylbewerbungsverfahren durchlaufen – genauso wie wenn sie in Moria blieben. Doch die griechischen Behörden dort sind damit schon lange überfordert. Vor allem an Übersetzern etwa für die unterschiedlichsten afrikanischen Sprachen mangelt es. Um die seit Jahren aufgeschobene Reform des EU-Asyls nun schneller voranzubringen, gibt es beispielsweise die Idee der EU-Kommission, ein geplantes neues Flüchtlingszentrum auf Lesbos mitzuverantworten. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies darauf hin, dass dies jedoch in ein Gesamtkonzept eingebettet sein müsse.
Das sollte vor allem dafür sorgen, dass der Asyl-Prozess in Europa grundsätzlich zügig, fair und transparent vonstatten geht. Wenn derzeit Menschen in Griechenland Asyl erhalten, dann erwartet sie keineswegs wie in Deutschland Versorgung und Begleitung. Sie verlieren jede Unterstützung, die sie als Ayslbewerber bekamen. Lediglich ein Programm bietet in Griechenland minimale Unterstützung, vorausgesetzt man kann einen Mietvertrag für eine Wohnung vorweisen. Ansonsten gibt es kein System, kein Integrationsprogramm, das anerkannte Flüchtlinge auffängt, obwohl sie nahezu dieselben Rechte wie griechische Staatsbürger haben. Es gebe kaum Sprachkurse – und ohne Griechisch sei es nahezu unmöglich, eine Wohnung oder Arbeit zu finden.
Abgelehnte Asylbewerber dagegen haben mit der Internationalen Organisation für Migration eine zentrale Anlaufstelle, die ihre Rückführung organisiert und Unterstützung anbietet. Oft solle es dafür auch Bargeld geben, nicht wenige nutzen es als Startkapital, um dennoch zu bleiben. Kontrolliert wird nämlich kaum, ob abgelehnte Asylbewerber das Land wirklich verlassen.
Mirjam Petermann
Autor:Mirjam Petermann |
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