Evangelische Publizistik
"Angst, Politik, Zivilcourage" vom Markt genommen
Die Evangelische Verlagsanstalt (EVA) nimmt das Buch „Angst, Politik, Zivilcourage“ wegen demokratiefeindlicher und antisemitischer Aussagen vom Markt. Wie das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) als Mehrheitsgesellschafter des Leipziger Verlages am 10. November in Frankfurt am Main mitteilte, „gibt es Passagen in dem Buch, die keinen Zweifel lassen, dass sie weder mit den publizistischen Standards der evangelischen Publizistik vereinbar, noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind“. Das gelte ganz besonders für eine „zutiefst antisemitische Aussage“, in der die Angehörigen der Opfer der Terroranschläge bei den Olympischen Spielen 1972 auf menschenverachtende Weise diffamiert würden.
Der Sammelband „Angst, Politik, Zivilcourage“ trägt den Untertitel „Rückschau auf die Corona-Krise“. Er wurde herausgegeben von Thomas A. Seidel und Sebastian Kleinschmidt im Auftrag der Evangelischen Bruderschaft St. Georgs-Orden. Das Buch basiert auf einem „Offenen Konvent“ der Bruderschaft im Oktober 2022 in Erfurt. In einem Beitrag von Heimo Schwilk mit dem Titel „Angst und Auflage – Deutsche Medien im Panikmodus“ heißt es, „die hochmoralische Bundesrepublik“ solle an immer mehr Länder Reparationen für lange zurückliegende Kriegszerstörungen bezahlen. „Das schlechte Gewissen lässt sich nämlich auch anzapfen. Wie das geht, haben uns die Erben der israelischen Opfer der Olympischen Spiele von München 1972 perfekt vorgeführt. Aber schon stehen andere Länder Schlange“, schreibt der Journalist und Autor Schwilk zu den Entschädigungszahlungen an die Familien der Attentatsopfer. Das GEP bat die Angehörigen der Opfer am Freitag für die Veröffentlichung dieser Aussagen um Verzeihung.
Die Theologen Kristin Merle und Hans-Ulrich Probst hätten in der evangelischen Zeitschrift „Zeitzeichen“ sorgfältig belegt, dass wesentliche Passagen des Buches demokratiefeindliche, geschichtsrevisionistische, verschwörungsideologische und antisemitische Narrative bedienen, erklärte das GEP, das eine Mehrheitsbeteiligung an der EVA hält. Zweiter Gesellschafter ist die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM). „Die EKM teilt unser Bedauern“, heißt es in der GEP-Mitteilung.
Ebenfalls völlig unakzeptabel sei die offene Propagierung von mehreren als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Medien sowie von antisemitischen Verschwörungsportalen als „Gegenöffentlichkeit“ zu den im Text als angeblich korrupt und fremdgesteuerten Medien. Dabei würden Personen als Experten zitiert, ohne kenntlich zu machen, dass es sich dabei um aktive Politiker aus der rechtsextremen Szene handelt. Auch wenn mit der Einstufung einzelner Textpassagen als Überschreitung roter Linien zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Bewertung der übrigen Texte im Buch verbunden sei, sehe sich das GEP zum Handeln gezwungen.
Die EVA-Gesellschafter, GEP und EKM halten es der Mitteilung zufolge für notwendig, das Buch umgehend aus dem Verkauf zu nehmen. „Wir sind froh, in diesem Punkt nach eingehenden Beratungen mit der Geschäftsführung der EVA übereinzustimmen“, heißt es. Dabei handele es sich um einen einmaligen Schritt in der mehr als 50-jährigen Geschichte des GEP, aber um einen unverzichtbaren. „Es wäre abwegig, diesen singulären Schritt als einen Eingriff in die Meinungsfreiheit zu interpretieren“, erklärte das Gemeinschaftswerk.
Der Vorgang werde gründlich untersucht. „Das braucht Zeit und findet im Bewusstsein für die publizistischen Standards des GEP und der EVA, für die Ansprüche der evangelischen Publizistik, für das hohe Gut der Meinungsfreiheit, für die verlegerische Unabhängigkeit sowie die Fürsorgepflicht für Beteiligte statt“, hieß es.
Das GEP ist die zentrale Medieneinrichtung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ihrer Landeskirchen und Werke sowie der evangelischen Freikirchen. Zum GEP gehört unter anderem die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes.
(epd)
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Autor:Online-Redaktion |
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