Lutherischer Weltbund
Predigt zum Eröffnungsgottesdienst
Im Eröffnungsgottesdienst der 13. Vollversammlung des LWB predigte Pastorin Danielle Dokman über die biblische Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland (Matthäus 2, Verse 1-12).Die 34-Jährige ist Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirche Suriname in Südamerika.
Meine LWB-Familie, es ist in der Tat eine gute und angenehme Erfahrung, sich wieder in Gemeinschaft, genauer gesagt: in unserer globalen Gemeinschaft zu versammeln. Persönlichkeiten aus Afrika, Asien, Europa, Nord- und Südamerika und der Karibik haben sich versammelt (sowohl online als auch persönlich), um die tiefe und dauerhafte Liebe Gottes zu offenbaren. Gott ist uns wahrhaftig in der Gastfreundschaft begegnet, die wir hier erlebt haben, in den Gaben des Brotes und des Salzes und des Taufwassers, die uns immer wieder miteinander in Gemeinschaft rufen. Ich fühle mich zutiefst geehrt und betrachte es als Privileg, Ihnen heute das Wort Gottes verkünden zu dürfen. Wenn wir uns gemäss dem Thema der Dreizehnten Vollversammlung: Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung hier versammeln, dann beziehen wir uns auf das Matthäus-Evangelium, das unsere theologischen Betrachtungen leitet. Der Text, den wir vor uns liegen haben, ist uns zwar vertraut, aber er hat auch eine wichtige Bedeutung für die Herausforderungen, vor denen wir in unserer heutigen Welt stehen. Denn wie die Weisen aus dem Morgenland sind wir ebenfalls mit einem Ziel hierher gekommen. Nicht nur aus dem Osten, sondern auch aus dem Westen, dem Süden und dem Norden. Natürlich sind wir uns darüber bewusst, wie es heute um unsere Welt steht. Wir wissen um die zahlreichen Ungerechtigkeiten, die die Lebenswirklichkeit überall auf der Welt bestimmen. Und doch möchte ich darauf hinweisen, dass es genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger ist, wahrzunehmen, wo der menschgewordene Gottessohn, der eine Geist Gottes und die eine Hoffnung für diese Welt heute an Bedeutung gewinnen. Dies war die Aufgabe der drei Weisen, denen wir in diesem Text begegnen.
Sie hatten eine einzige, aber doch tiefgründige Frage: Sie lautet: Wo ist der neugeborene König der Juden? Diese Frage ist nicht nur eine Bestätigung der Existenz des menschgewordenen Gottes, sondern gleichzeitig auch als Aufgabe zu verstehen, ihn zu suchen und den bisherigen Status quo der Zeit herauszufordern. Es ist eine Bestätigung, weil die Weisen nicht nach einem Kind suchten, das noch geboren wird, sondern nach einem Kind, das bereits zur Welt gekommen war. Das bedeutet, dass es hier nicht um eine zukünftige Hoffnung ging, sondern eine Hoffnung, die sich bereits bewahrheitet hatte und die dazu bestimmt war, zu wachsen und zu wachsen. Gott war bereits in ihre Welt eingebrochen, sogar in eine Welt, die durch römische Vorherrschaft, Kolonialisierung und Imperialismus gekennzeichnet war. Es gab bereits Hoffnung, aber die Frage lautete: wo?
Heute inspiriert uns dieselbe Frage dazu, das Evangelium zu erforschen und uns für die vor uns liegende Reise zu rüsten. Zunächst nennt uns der Text zwei Orte, an denen sich der menschgewordene Gott offenbart hat. Zuerst wird der geographische Ort genannt, nämlich Bethlehem in Judäa. Allerdings wurde ihnen der zweite Ort, den ich als „Ort des Evangeliums“ bezeichnen möchte, erst nach ihrer Ankunft offenbart. Die Hoffnung war in einer gewöhnlichen, doch gleichzeitig auch aussergewöhnlichen Behausung zur Welt genommen: dem Leib. Und zu beachten ist, dass dies nicht nur ein Leib war, sondern der Leib eines Kindes. Dies ist die zerbrechlichste Form der menschlichen Existenz, die es gibt. Ein Leib, der ohne Versorgung verhungern wird. Ein Leib, der seinen Geist aufgeben wird, wenn er schutzlos Gewalt ausgesetzt wird. Ein Leib, der – so heilig er auch sein mag – ohne die richtige Wegzehrung verkümmern wird. Und doch ist es diese Existenz, die Gott für sein Dasein in dieser Welt auserwählt. Gott wurde Mensch!
Nun ist die Menschwerdung kein abgehobenes theologisches Konzept, das man zur Schau stellt. Wenn wir glauben, dass Gott einen menschlichen Leib mit allen seinen Verletzlichkeiten angenommen hat, so hat dies auch reale Auswirkungen auf unser Leben. Das bedeutet, dass wir unseren Leib und auch andere Menschen nicht ignorieren können. Wir werden Gott in unseren Nachbarn begegnen und in denjenigen, die wir als Fremde oder Ausländer und Ausländerinnen bezeichnen, und selbst in der gesamten Schöpfung. Denn genau wie die Kirche (der Leib Christi) sind auch der physische Körper, die übrige Schöpfung und unsere LWB-Gemeinschaft heilige Wohnstätten, in denen Gott uns einlädt, für unsere kurze Zeit auf der Erde zu bleiben.
Heute sind zahlreiche Wohnstätten Gottes und des Menschen auf der ganzen Welt zerstört und zerrissen durch Diskriminierung, Polarisierung und Gewalt. Die Gewalt, die wir während des Zeitalters der Sklaverei und besonders des transatlantischen Sklavenhandels erlebt haben, dauert an. Selbst heute wird noch mit Menschen gehandelt, und ihre Körper werden als Ware oder Kriegsbeute behandelt. Einige werden sogar aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts und ihrer Religion oder einfach aufgrund ihrer Verletzlichkeit getötet und ausgegrenzt. Es mag den Anschein haben, dass Gott an diesen Orten nicht zugegen ist, aber gerade hier in der Zerbrechlichkeit wird Gott Mensch. Wenn die ganze Welt in endlosen Kämpfen und Polarisierung zu versinken droht und andere die Flucht ergreifen, taucht Gott in unsere Welt ein. Ich weiss, dass es sich so anfühlt, als stehe unsere Welt in Flammen ohne einen Ausweg aus diesen sinnlosen Kriegen und aus der Klimaungerechtigkeit. Aber gebt nicht auf, denn auch Gott hat diese Welt nicht aufgegeben! Wir dienen einem Gott, der sich nicht vor unserer Zerbrechlichkeit, unserer Verletzlichkeit und unserer Schwäche fürchtet. Vielmehr zeigt sich Gottes Macht in unserer Schwäche.
Die eine Hoffnung für unsere Welt befindet sich in dem einen Leib: Ja! Dem menschlichen Leib. Ja! Der Schöpfung Ja! Dem Leib Christi, und ich wage hinzuzufügen: unserer Gemeinschaft.
Weiterhin ist etwas über die Bewegung des einen Geistes Gottes in diesem Text zu sagen. Obwohl an dieser Stelle nicht erwähnt, gibt es eine Bewegung in dieser Erzählung. Die Frage der Weisen aus dem Morgenland wurde wie ein Stein in ein stehendes Gewässer geworfen und hat sich in konzentrischen Wellen verbreitet, und auch heute noch ist der Nachhall dieser Frage wieder zu vernehmen: Wo ist das neugeborene Kind? Ganz Jerusalem und Herodes konnten diese Wellen spüren und waren beunruhigt. Herodes war bereits vom Römischen Reich zum König von Judäa gekrönt worden, deshalb hatte er keinen Anlass, sich Sorgen zu machen. Allerdings war er ein Marionetten-König, der für das Römische Reich nur so lange von Bedeutung war, wie er sein Volk kontrollieren und dafür sorgen konnte, dass sie sich den Gesetzen des Imperiums beugten. Ob sie ein gutes Leben führen und ihre täglichen Bedürfnisse erfüllen konnten, war nicht seine Zuständigkeit. Er war allein dem Römischen Reich gegenüber loyal. Gottes Fürsorge galt aber der gesamten Schöpfung Gottes, und dies wird immer so bleiben.
Der Geist Gottes kann nicht mit Machthabern vom Schlage eines Herodes harmonieren. Der eine Geist wird sich dagegen erheben und einen neuen Weg finden und beschreiten. Das mag für bestimmte Menschen keine gute Nachricht sein und besonders nicht für die Mächtigen. Aus diesem Grund wollte Herodes den Widerstand brechen, um seine Macht zu sichern und keinen Widersacher aufsteigen zu lassen. In unserer heutigen Welt präsentieren sich viele Menschen als die einzige Wahl, als den einzigen Ausweg oder als die einzige Chance, die wir haben. Aber alles, was sie zu bieten haben, ist weitere Versklavung, noch mehr Ignoranz hinsichtlich der sich aufbauenden Klimakatastrophe und noch mehr Leid.
Als Volk Gottes wissen wir es besser. Wir wissen, dass es einen anderen Weg gibt! Es gibt eine andere Herrschaft! Und deshalb müssen wir Wellen verursachen. In und durch unsere Verkündigung müssen wir den Status quo herausfordern. Und manchmal erreichen wir das einfach, indem wir eine Frage stellen. Und ja, einige Menschen werden sich Sorgen machen und sich fürchten, aber vielleicht ist gerade dies die Bewegung des einen Geistes Gottes, der erschafft, versöhnt und erneuert.
Meine LWB-Familie, die Sonne geht über vielen Imperien dieser Welt unter. Einige erkennen das an, andere führen deswegen Krieg. Ich aber sage euch heute:
Wann immer die Sonne über einem der Imperien dieser Welt untergeht, so ist es Zeit für euch, meine Familie in Christus, euch zu erheben!
Wenn die Nacht auf dem Land liegt und Rechtschaffenheit zu einem raren und seltenen Gut wird, erhebt euch!
Wenn falsche Versprechen gegeben werden, um etwas gegen unsere Klimaungerechtigkeit zu unternehmen, dann, ihr 150 Kirchen, erhebt euch als Kirchengemeinschaft!
Steigt auf wie der Stern in jener schicksalhaften Nacht, erhebt eure Stimmen und verkündet der Welt: Es gibt einen anderen Weg! Gott ist hier! Der menschgewordene Gott hat sich gezeigt. Hier! Der eine Geist Gottes bewegt sich hier! Die Hoffnung ist bereits hier, ja hier! Denn Gott in Christus hat diese Welt nicht aufgegeben, und wir sollten das auch nicht tun. Es ist für uns nicht an der Zeit, Krieg zu führen, sondern es ist an der Zeit, zu beten und in Gemeinschaft zu sein. In unserer Verkündigung vereint zu sein und eins in unserer Anklage gegen Ungerechtigkeit und für ein gemeinsames Leben aus den Sakramenten. Es ist für uns an der Zeit, die Gemeinschaft zu sein, über die wir ständig sprechen. Deshalb bringt euer Gold, euren Weihrauch und eure Myrrhe. Bringt eure Gaben, auch die zerbrochenen Teile. Bringt euch selbst dar und lasst uns in Einem Leib, durch Einen Geist und in Einer Hoffnung beginnen. Amen
Autor:Online-Redaktion |
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