Kontroverse
Wie hoch sollte der Gemeindebeitrag angesetzt werden?
Zu wenig oder ausreichend und von wem? Der Gemeindebeitrag wird ganz unterschiedlich eingeschätzt. Während Pfarrer Ernst-Ulrich Wachter den Beitrag um 30 Prozent anheben will, fordert seine Amtsschwester Anne-Christina Wegner eine Staffelung nach Zugehörigkeit. In den Gemeinden haben einige generell kein Verständnis für die zusätzliche freiwillige Abgabe.
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Ernst-Ulrich Wachter ist Pfarrer in Elbingerode im Harz
Seit mindestens 20 Jahren gelten dieselben Richtwerte. Man muss kein Finanzfachmann sein, um zu wissen, dass heute mit dem gesammelten Geld weniger gekauft werden kann als damals. Alles ist teurer geworden und auch die Löhne sind gestiegen.
Kirchengemeinden haben, anders als die Landeskirche, ein massives Problem auf der Einnahmeseite. Befragt man die Kreiskirchenämter, sind es nicht wenige Gemeinden, die schon bei der finanziellen Jahresplanung mit einem Defizit starten. Überfällige Bauprojekte und innovative Gemeindearbeit sind aus eigenen Kräften oft nicht zu schultern. Da hilft dann nur ein Antrag beim Kirchenkreis. Selbstverantwortung der Gemeinden und Eigenständigkeit werden auf diese Weise nicht befördert.
Woher kommt die Scheu, den freiwilligen Beitrag der allgemeinen Entwicklung anzupassen? Hat man Angst, wenn man einen Euro pro Monat mehr erbittet, treten Menschen aus der Kirche aus? Haben wir vor uns selbst das Gefühl, dass wir die Menschen nicht um mehr Geld bitten dürfen, weil sie ja schon so nicht kommen und etwas von ihrem Beitrag haben?
Ein weiteres Problem ist, dass längst nicht alle Gemeinden den Gemeindebeitrag mit ausreichend Aufwand erbitten. Wer von Menschen Geld für eine gute Arbeit will, muss seine gute Arbeit auch angemessen darstellen, muss Menschen verständlich machen, dass es ihr Geld braucht, damit diese gute Arbeit getan wird. Das ist eine Anfrage an die Mühe, die wir uns in der Zusammenarbeit mit der örtlichen Presse und mit unserer Selbstdarstellung in Gemeindeblättern und Bittbriefen geben.
Es ist möglicherweise auch eine Anfrage an unsere Angebote selbst. Sind sie wirklich geeignet, Menschen anzusprechen und für viele und mehr Gemeindeglieder ansprechend, relevant und unterstützungswürdig zu werden?
Wie heraus aus dem Dilemma?
1. Klappern gehört zum Handwerk: Das heißt, der Öffentlichkeit immer wieder zeigen, was wir tun.
2. Den Beitrag um 30 Prozent anheben, weil es überfällig ist.
3. Die Gemeinden, die sich beim Sammeln des Gemeindebeitrages mühen, in der Weise „belohnen“, dass jeder gesammelte Euro Gemeindebeitrag aus Mitteln des Strukturfonds verdoppelt wird. Das spornt an und unterstützt gezielt dort, wo in der Ortsgemeinde Initiative vorhanden ist.
GENUG
Anne-Christina Wegner ist Pfarrerin im Kirchspiel Laucha
Wer gehört zur Gemeinde? Diese Frage beschäftigt uns seit Jahren. Es gehören alle dazu, die in der Liste sind. Eigentlich alle Getauften, ob sie nun Mitglieder sind oder nicht. Denn durch die Taufe baut Gott die Gemeinde.
Aber jetzt wird es schwierig: Liste oder Taufe – was entscheidet?
Es heißt: Es gibt Inaktive, die zählen nicht dazu. Was ist dann mit denen, die aktiv, aber nicht getauft sind? Die müssten nach dieser Logik dazugehören. Tun sie aber nicht. Ich finde das falsch. Sie sind aktiv, aber taten noch nicht den letzten Schritt. Sie rechnen sich selber zur Gemeinde, wachsen in sie hinein. Mit ihnen warten wir darauf, dass Gott ihr Herz berührt, sodass sie sich taufen lassen wollen. Manche wollen bewusst nicht nur spenden, wie sie es für andere Organisationen tun. Sie wollen gern Gemeindebeitrag zahlen. Das aber ist rechtlich nicht möglich, denn „sie gehören nicht zur Gemeinde, sie stehen nicht in der Liste“, so die Auskunft. Für mich ist die Frage der Zugehörigkeit ein einziges Wirrwarr. Liste oder Taufe – eine absurde Alternative!
Wen Gott durch die Taufe beruft, der gehört dazu. Ich gehöre immer zu meiner Familie, auch wenn ich wegziehe und mich nicht melde. Meine Familie wird mir zum Geburtstag schreiben, für mich beten und sofort für mich da sein, wenn ich vor der Tür stehe. Denn ich gehöre dazu, durch Geburt. Und die Taufe ist das Bad der Wiedergeburt. Zu meiner Familie gehören auch Menschen, die nicht verwandt sind. Sie wuchsen hinein. Für mich stehen sie für alle, die in der Gemeinde auf dem Weg zur Taufe sind. Sie gehören dazu, sie sollten auch ihren Beitrag zahlen dürfen. Spenden kann ich immer, der Gemeindebeitrag ist ein Zeichen der Zugehörigkeit und Verantwortung.
Ich plädiere für eine gestufte Mitgliedschaft: Alle Getauften gehören dazu. Sind sie nicht in der Kirche, ruhen ihre Rechte, unsere Pflichten ihnen gegenüber bleiben bestehen. Darum brauchen wir ihre Namen in den Gemeindelisten. Alle, die Gemeindebeitrag zahlen, aber nicht getauft sind, gehören auch dazu, sind aber nicht wählbar. Auch ihnen gegenüber haben wir Pflichten. Und genauso gehören alle dazu, die jetzt in der Liste stehen. Sie sind wählbar.
Ich gebe zu, eine andere Art Gemeindegliederliste wäre nötig. Den Gemeindebeitrag für alle freizugeben, halte ich für einen ersten Schritt.
Autor:Online-Redaktion |
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