Da hilft nur radikale Freundlichkeit
Bundestagswahl: Wie Initiativen versuchen, junge Wähler zu mobilisieren
Ein besonderes Erlebnis hatte Shai Hoffmann gleich zu Beginn seiner Tour im »Bus der Begegnungen«. Nach einem Gespräch in Chemnitz sagte ihm sein Gegenüber: »Hätten wir uns einen Tag früher getroffen, dann hätte ich bei der Briefwahl vielleicht mein Kreuz woanders gemacht.« Der 35-jährige Hoffmann hat den »Bus der Begegnungen« initiiert. Dieser fährt gerade durch Deutschland und wirbt für eine offene, pluralistische Gesellschaft: Im direkten Kontakt wollen Hoffmann und sein Team Wähler, vor allem Erst- und Jungwähler, für die Bundestagswahl am 24. September mobilisieren. Sie verstehen sich als parteiunabhängig.
Paulina Fröhlich, die Hoffmann begleitet, spürt in ihren Gesprächen mit Jungwählern schon eine gewisse Politikverdrossenheit. »Die ist aber ganz leicht wegzubekommen.« Empathisch sein, Fragen stellen und zuhören, das helfe oft. Um für den Disput mit Rechts-Sympathisanten gewappnet zu sein, entwickelten sie einen Gesprächsleitfaden. Das Grundprinzip: »Radikale Freundlichkeit«. Also cool bleiben, sich nicht provozieren lassen, konkret argumentieren und nachfragen. »Das ist nicht einfach«, sagt Fröhlich, respektvoll und sachlich zu bleiben, wenn die andere Seite polemisiere.
Fröhlich hofft, dass am 24. September mehr junge Leute als bei früheren Bundestagswahlen an die Urnen gehen. Wahlforscher Oskar Niedermayer begrüßt das Engagement der jungen Initiativen. »Denn diesmal kommt es auf jede Stimme an«, sagt der Professor für empirische politische Soziologie an der Freien Universität Berlin. Selbst kleine prozentuale Veränderungen würden darüber entscheiden, welche Partei drittstärkste Kraft im nächsten Bundestag wird.
Traditionell zeigen Jungwähler zwischen 21 und 24 Jahren bei Bundestagswahlen die schwächste Wahlbeteiligung. 2013 lag sie bei 60 Prozent, bei Erstwählern bei 64 Prozent. Die Gesamtwahlbeteiligung erreichte 72 Prozent. Niedermayer erklärt das vor allem mit der sozialen Einbindung der Altersgruppe. Während viele Erstwähler oft von Familie und festen Strukturen geprägt seien, die das Wählen vorlebten, lösten sich mit dem Auszug von zu Hause, durch Studium und Beruf, diese Strukturen auf.Christina Denz (epd)
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