Herausforderung Radikalisierung
Beratungsstelle: Fall Linda W. ist nicht außergewöhnlich
Von Johannes Süßmann
Die islamistische Radikalisierung Minderjähriger ist nach Einschätzung der sächsischen Koordinierungs- und Beratungsstelle Radikalisierungsprävention (KORA) keine Seltenheit. Die Frage sei, wie weit extremistische Tendenzen reichten und ob es zu einer Ausreise in Kampfgebiete komme, sagte der Leiter der Beratungsstelle, Khaldun Al Saadi, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Mit Blick auf den Fall der 16-jährigen Linda W. aus dem sächsischen Pulsnitz, die vergangene Woche als mutmaßliche Kämpferin der Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) im Irak festgenommen wurde, sagte Al Saadi: »Der Fall lässt sich nicht als völlig außergewöhnlich einschätzen.« Es sei auch zuvor schon vorgekommen, »dass junge Mädchen und Jungs in dieses internationale Kriegsgebiet ausgereist sind«.
Al Saadi betonte, um der Radikalisierung junger Menschen vorzubeugen, müsse vor allem das Internet in den Fokus genommen werden, das auch bei W.s Radikalisierung eine entscheidende Rolle gespielt habe. Dies sei speziell für Beratungsträger in der Fläche eine große Herausforderung. Er hoffe daher, dass dem Internet im Präventionsprogramm des Bundes ab 2018 eine besondere Priorität eingeräumt werde, sagte Al Saadi.
Zur Anfälligkeit von Jugendlichen für die Propaganda des IS sagte Al Saadi, die Extremisten stellten das Leben in ihrem selbst ernannten »Kalifat« »sehr romantisiert« dar. Man dürfe nicht unterschätzen, dass dies eine gewisse Attraktivität für manchen Jugendlichen haben könne.
Zudem sei es nicht ungewöhnlich, dass Jugendliche, die sich radikalisieren, zugleich Familien-, Drogen oder Suchtprobleme hätten, fügte er hinzu. »Deswegen ist es auch wichtig, dass Zugänge zu entsprechenden sozialen Dienstleistungen bekannt sind und weitervermittelt werden.«
Laut der Beratungsstelle gibt es in Sachsen derzeit aktuell 350 Islamisten und 190 Salafisten. Die Zahl derer, die als Gefährder eingestuft werden, liege deutlich darunter. Die Beratungshotline der KORA werde »derzeit genutzt«, sagte Al Saadi. »In welcher Größenordnung, dazu können wir derzeit keine Auskunft geben.«
Die KORA ist seit Anfang März aktiv. Als gemeinsames Projekt von sächsischem Integrations-, Innen- und Justizministerium arbeitet sie unter dem Dach des Demokratiezentrums Sachsen, das drei Mitarbeiter hat. Über eine Hotline können sich Betroffene und Angehörige an die KORA wenden. Dort werden sie an Beratungsstellen oder Aussteigerprogramme vermittelt. Zudem will die KORA einen »vertrauensbildenden Dialog« zwischen muslimischen Organisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren fördern. (epd)
Hinweis: Die KORA-Hotline ist montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr unter (03 51) 56 45 64-9 zu erreichen.
Autor:Adrienne Uebbing |
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