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Kleidung »Made in Europe«: Armutslöhne für Näherinnen

Praktisch, strapazierfähig, dabei gar nicht teuer – Berufsbekleidung »Made in Europe«, das klingt vertrauenerweckend. Getragen wird sie auch in Deutschland, beispielsweise von Polizisten. Doch wo und unter welchen Bedingungen werden Textilien wie diese hergestellt?

Von Tomas Gärtner

Bettina Musiolek schaut seit Jahren gemeinsam mit anderen Aktivistinnen der deutschen »Clean Clothes Campaign« (CCC), der Kampagne für sauber produzierte Kleidung, genauer hin. Armutslöhne in der Textilindustrie seien nicht nur in Asien, auch in Mazedonien, Serbien und anderen südosteuropäischen Ländern an der Tagesordnung, hat sie festgestellt.
Informieren will die Sozioökonomin vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen (ENS) darüber auf einer Entwicklungspolitischen Konferenz am 3. und 4. November in Chemnitz. »Genug für alle?« – diese Frage steht als Überschrift über dem Treffen von Wissenschaftlern, Politikern, Gewerkschaftern und Aktivisten. Auf die Frage, welchen Ausweg es aus dem wirtschaftlichen Elend der Näherinnen gäbe, antwortet Bettina Musiolek mit einem Wort: »Existenzlohn«. Den jedenfalls bekämen sie derzeit dort nicht. Stattdessen müssten sich die Frauen und Männer mit Armutslöhnen begnügen und unter prekären Bedingungen schuften, wie sie in einem Report resümiert.
Der gesetzliche Mindestlohn in Mazedonien liege mit 101 Euro pro Monat sogar unter dem in China und Indonesien, berichtet sie. Weniger als 20 Prozent dessen, was man zur Existenz braucht, decke er ab. Einige Näherinnen bekämen nicht einmal diesen Lohn. Erfahren haben sie das bei einer Befragung mehrerer Arbeiterinnen.
Die berichteten von kalten Fabriken, von regelmäßigen Überstunden an Sonnabenden. Anders sei die Produktionsnorm nicht zu schaffen. Ablehnen können sie das nicht, denn sie hätten Angst vor Lohnkürzungen oder anderen Repressionen.
Weiteres gravierendes Problem: Arbeitsverträge gibt es nur über kurze Zeiten. Anstellungen von drei bis sechs Monaten würden geradezu »exzessiv« genutzt. Ansprüche auf Mutterschaftsurlaub oder Lohnerhöhungen seien damit praktisch unerreichbar. Denn die gäbe es erst nach längerer Betriebszugehörigkeit.
Die Arbeitslosenrate liegt bei 30 bis 40 Prozent. Jobs sind rar und daher sehr begehrt. Die Näherinnen seien oft die einzigen in der Familie, die über ein Einkommen mit Krankenversicherung verfügen.
In einem umfassenden Report hat die CCC zusammen mit Partnern Lohn- und Lebenssituation von Arbeiterinnen der Bekleidungsindustrie außer in Mazedonien auch in der Türkei, in Georgien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien, Ukraine, in Bosnien und Herzegowina, Kroatien und in der Slowakei untersucht; insgesamt rund drei Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter. Ihr Fazit: Die Lücke zwischen gesetzlichem Mindestlohn und geschätztem existenzsichernden Basis-Lohn scheint größer zu sein als in Asien.
Die Bekleidungsindustrie sei bekannt für niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Die Arbeit dort gilt als »Zuverdienst« zum Familieneinkommen. Tatsächlich jedoch sind die meisten Arbeiterinnen alleinerziehende Mütter oder ernähren die gesamte Familie.
8 www.saubere-kleidung.de

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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